Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Zahlentheorie dar. Sie gingen im wesentlichen von der folgenden Überlegung aus: Eine Menge des untersten „Typs“ kann als Elemente nur „Objekte“ enthalten, und keine Mengen. Eine Menge des nächsthöheren „Typs“ kann nur Objekte oder Mengen des niedrigsten Typs enthalten. Im allgemeinen kann eine Menge eines gegebenen Typs nur Mengen eines niedrigeren Typs oder Objekte enthalten. Jede Menge gehört einem spezifischen Typ an. Es war klar, daß keine Menge sich selbst enthalten konnte, weil sie dann einem höheren Typ als ihrem eigenen angehören müßte. In einem solchen System konnten nur Mengen existieren, die „nicht der Rede wert“ sind; übrigens wird R — die Menge aller Nicht-der-Rede-wert-Mengen — gar nicht mehr als eine Menge betrachtet, da sie keinem endlichen Typ angehört. Offensichtlich befreit also die Theorie der Typen, die man auch die „Theorie der Abschaffung von Seltsamen Schleifen“ nennen könnte, die Mengenlehre mit Erfolg von ihren Paradoxien, aber nur auf Kosten einer künstlich erscheinenden Hierarchie und durch das Verbot gewisser Arten von Mengen, wie die Menge aller Nicht-der-Rede-wert-Mengen. So aber stellen wir uns Mengen nicht anschaulich vor.
Die Theorie der Typen wurde mit Russells Paradoxie fertig — nicht aber mit der des Epimenides und der Grellings. Für Forscher, deren Interesse nicht über die Mengenlehre hinausging, reichte das vollkommen, aber denjenigen, die ganz allgemein an der Ausmerzung von Paradoxien interessiert waren, schien eine ähnliche „Hierarchisierung“ notwendig, die verbot, daß sich eine Schleife innerhalb der Sprache bildete. In einer solchen Hierarchie stünde zuunterst eine Objektsprache. In ihr kann man nur über einen spezifischen Bereich reden, nicht aber über Aspekte der Objektsprache selbst (z. B. grammatische Regeln oder spezifische, in dieser Sprache ausgedrückte Sätze). Zu diesem Zweck gibt es eine Metasprache. Jedem, der eine Fremdsprache lernt, ist die Erfahrung zweier Sprachebenen vertraut. Als nächstes gäbe es eine Metametasprache, um über die Metasprache zu diskutieren usw. Nötig wäre, daß jeder Satz einer genau bestimmbaren Stufe dieser Hierarchie angehört. Wenn man keine Stufe fände, in die sich eine bestimmte Äußerung einfügte, dann wäre diese Äußerung somit als bedeutungsleer zu betrachten, und man könnte sie vergessen.
Wir können versuchen, die oben wiedergegebene zweistufige Epimenides-Schleife zu analysieren. Der erste Satz muß, da er vom zweiten spricht, auf einer höheren Stufe als dieser sein. Aber aus den gleichen Gründen muß der zweite Satz auf einer höheren Stufe als der erste sein. Da dies unmöglich ist, sind die beiden Sätze „bedeutungsleer“. Genauer: solche Sätze können in einem auf einer strikten Hierarchie der Sprache beruhenden System gar nicht formuliert werden. Das verhütet von vornherein alle Versionen der Epimenides- und der Grelling-Paradoxie. (Welcher Sprachebene könnte „heterologisch“ angehören?)
Nun scheint in der Mengenlehre, die es ja mit Abstraktionen zu tun hat, die wir nicht fortwährend benutzen, eine Gliederung in Schichten wie bei der Theorie der Typen annehmbar, wenn auch ein bißchen seltsam. Aber wenn wir mit Sprache zu tunhaben, einem Phänomen, das unser ganzes Leben durchdringt, dann erscheint eine derartige Schichtung absurd. Wir sehen uns beim Sprechen über verschiedene Dinge nicht eine linguistische Hierarchie hinauf- und hinunterhüpfen. Ein recht alltäglicher Satz wie „In diesem Buch kritisiere ich die Theorie der Typen“ wäre in dem von uns besprochenen System doppelt untersagt. Erstens erwähnt er „dieses Buch“ — und das könnte nur in einem ,,Meta-Buch“ geschehen, und zweitens erwähnt er mich — also jemand, von dem zu sprechen mir überhaupt verboten sein sollte! Dieses Beispiel zeigt, wie albern die Theorie der Typen erscheint, wenn man sie in einen alltäglichen Zusammenhang überträgt. Das Heilmittel, das sie gegen Paradoxien anwendet — vollständige Ausmerzung von Selbstbezüglichkeit in jeglicher Form — hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, da so viele durchaus gute Konstruktionen als bedeutungsleer gebrandmarkt werden. Das Eigenschaftswort „bedeutungsleer“ müßte übrigens auf alle Diskussionen der Theorie linguistischer Typen angewendet werden (auch auf die in diesem Abschnitt durchgeführte Diskussion!), denn sie könnten offenbar auf keiner Stufe durchgeführt werden — weder der der
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