Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
die sie verantwortlich sind, gemacht werden kann. Man weiß zum Beispiel, daß die Sprache in erster Linie von einer der beiden Hälften verarbeitet wird, im allgemeinen von derlinken. Sodann ist das Kleinhirn der Ort, von dem aus Impulse zu den Muskeln geschickt werden, um die motorische Aktivität zu steuern. Wie jedoch diese verschiedenen Bereiche ihre Funktionen ausüben, ist noch immer zum großen Teil ein Geheimnis.
Abbildungen zwischen Gehirnen
Hier stellt sich nun eine äußerst wichtige Frage. Wenn Denken im Hirn stattfindet wie unterscheiden sich dann zwei Hirne voneinander? Sicher denken Sie nicht genau so wie ich oder jemand anderes es tut. Wir haben aber alle dieselben anatomischen Regionen in unserem Gehirn. Wie weit geht diese Identität der Gehirne? Bis zur Stufe der Neuronen? Ja, wenn man Tiere auf einer genügend tiefen Stufe der Hierarchie des Denkens betrachtet — den unscheinbaren Regenwurm zum Beispiel. Das folgende Zitat stammt von dem Neurophysiologen David Hubel, der anläßlich einer Tagung über Kommunikation mit außerirdischen Intelligenzen sagte:
Die Anzahl von Nervenzellen in einem Tier wie etwa dem Wurm beträgt, nehme ich an, einige Tausend. Sehr interessant ist die Tatsache, daß wir auf eine bestimmte Zelle in einem bestimmten Wurm deuten und dann die gleiche Zelle, die entsprechende Zelle in einem anderen Regenwurm derselben Art identifizieren können. 1
Regenwürmer haben isomorphe Gehirne! Man könnte sagen: „Es gibt nur einen Regenwurm.“
Die Eigenschaft jedoch, daß sich die Gehirne von Individuen ein-eindeutig aufeinander abbilden lassen, verliert sich sehr schnell in dem Maße, in dem man in der Hierarchie des Denkens nach oben geht und die Anzahl der Neuronen ansteigt — und das bestätigt den Verdacht, daß es nicht nur ein menschliches Wesen gibt! Doch läßt sich zwischen verschiedenen menschlichen Hirnen eine beträchtliche materielle Ähnlichkeit feststellen, wenn man sie in einem Maßstab miteinander vergleicht, der größer ist als ein einziges Neuron, aber kleiner als die wichtigsten Teilorgane der Gehirne. Was läßt sich daraus schließen über die Frage, wie geistige Unterschiede zwischen einzelnen Individuen physiologisch im Gehirn repräsentiert sind? Betrachtete man die Verbindungen zwischen meinen Neuronen, könnten wir dann verschiedene Strukturen finden, die sich identifizieren lassen als Codierung gewisser spezifischer Wissensinhalte, die ich kenne, spezifischer Ansichten, die ich habe, spezifischer Hoffnungen, Ängste, Vorlieben und Abneigungen? Wenn dem Gehirn geistige Erfahrungen zugeschrieben werden können, können dann Wissen und andere Aspekte des geistigen Lebens ebenfalls auf spezifische Stellen im Gehirn oder auf spezifische physiologische Teile des Gehirns zurückgeführt werden? Dies wird eine der Hauptfragen sein, zu der wir in diesem und im nächsten Kapitel oft zurückkehren werden.
Lokalisierung von Denkprozessen: Ein Rätsel
Um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, versuchte der Neurologe Karl Lashley in einer langen Reihe von Experimenten, die um 1920 begannen und viele Jahre dauerten, zu entdecken, wo eine Ratte in ihrem Hirn ihr Wissen über das Durchlaufen eines Labyrinths speichert. In seinem Buch The Conscious Brain beschreibt Steven Rose Lashleys Prüfungen und Kümmernisse wie folgt:
Lashley versuchte den Ort des Gedächtnisses innerhalb des Kortex zu identifizieren, und um das zu tun, trainierte er zuerst Ratten, Labyrinthe zu durchlaufen, und entfernte sodann verschiedene kortikale Bereiche. Er ließ die Tiere sich erholen und testete, wieviel von der Fähigkeit, sich im Labyrinth zurechtzufinden, ihnen noch blieb. Zu seiner Überraschung war es nicht möglich, einen spezifischen Bereich zu ermitteln, der der Fähigkeit entsprochen hätte, sich im Labyrinth zurechtzufinden. Dagegen erlebten alle die Ratten, bei denen Teile der Großhirnrinde entfernt worden waren, irgendwelche Schäden, und der Umfang dieser Schäden war ungefähr proportional zu der Menge der entfernten Großhirnrinde. Die Entfernung der Großhirnrinde beeinträchtigte die motorischen und sensorischen Fähigkeiten der Tiere, und sie begannen zu humpeln, zu hüpfen, zu rollen oder zu taumeln, aber irgendwie brachten sie es immer fertig, das Labyrinth zu durchqueren. Was die Erinnerung betraf, so schien die Großhirnrinde „äquipotentiell“ zu sein, d. h. daß alle Regionen von gleich groß möglichem Nutzen waren. In der Tat schloß Lashley in
Weitere Kostenlose Bücher