Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
hypothetischen „Großmutterzelle“ auf verschiedene beliebige Reize; der Leser hat vielleicht Spaß daran, darüber nachzudenken, wie eine Oktopus-Zelle auf die gleichen Reize reagieren würde.
Isomorphie auf dem Niveau der Neuronen, die zwischen den Gehirnen von Regenwürmern existiert. Es ist nicht uninteressant, daß auch zwischen dem Sehapparat von Katzen, Affen und Menschen Isomorphie besteht. Sie liegt irgendwo zwischen „grob“ und „fein“. Jene Isomorphie funktioniert wie folgt: Zuerst haben alle drei Arten „spezialisierte“ Bereiche in der Großhirnrinde im hinteren Teil des Gehirns, wo die Verarbeitung optischer Eindrücke stattfindet: den Sehkortex. Zweitens ist bei allen der Sehkortex in drei Teilbereiche gegliedert, Bereiche 17, 18 und 19 der Großhirnrinde genannt. Sie sind noch immer universal in dem Sinne, daß man sie im Gehirn jedes normalen Individuums in jeder der drei Arten lokalisieren kann. Innerhalb eines jeden dieser Bereiche kann man noch weiter gehen und so zur „säulenartigen“ Organisationdes Sehkortex kommen. Senkrecht zur Oberfläche des Kortex und sich strahlenförmig ins Innere des Gehirns erstreckend, sind die optischen Neuronen in „Säulen“ angeordnet — d. h. fast alle Beziehungen verlaufen in radialer Richtung, und nicht zwischen den Säulen. Und jede Säule bildet sich auf ein kleines, spezifisches Gebiet der Netzhaut ab. Die Anzahl der Säulen ist für kein Individuum gleich; die „gleiche Säule“ läßt sich also nirgends finden. Schließlich gibt es innerhalb einer Säule Schichten, in denen sich simple Neuronen finden, und andere, in denen sich komplexe Neuronen finden. (Die hyperkomplexen Neuronen finden sich vorwiegend in den Bereichen 18 und 19, während die einfachen und komplexen hauptsächlich im Bereich 17 vorkommen.) Anscheinend haben wir auf dieser Stufe keine Isomorphie mehr. Von hier aus abwärts zur Ebene der individuellen Neuronen hat jede individuelle Katze, jeder Affe und jeder Mensch ein vollkommen einzigartiges Muster — so etwas wie einen Fingerabdruck oder eine Unterschrift.
Ein weniger wichtiger, aber vielleicht bezeichnender Unterschied zwischen der Verarbeitung optischer Eindrücke im Gehirn von Katzen und Affen steht in Zusammenhang mit der Phase, in welcher die Informationen von beiden Augen integriert werden, um ein kombiniertes Signal höherer Ordnung zu bilden. Es zeigt sich, daß das beim Affen etwas später geschieht als bei der Katze, und das läßt etwas mehr Zeit, das jeweilige Signal des einzelnen Auges für sich allein zu verarbeiten. Allzu überraschend ist das nicht, denn es ist wohl zu erwarten, daß je höher eine Spezies in der Hierarchie der Intelligenz steht, desto komplexer die Probleme sein werden, die vom Sehapparat zu verarbeiten sind; deshalb müssen Signale immer früher bearbeitet werden, bevor sie ein endgültiges „Etikett“ erhalten. Das wird lebhaft bestätigt durch Beobachtungen über die Sehfähigkeit eines neugeborenen Kalbs, das offensichtlich mit genau so viel Fähigkeiten, visuelle Unterschiede wahrzunehmen, zur Welt kommt, wie es jemals haben wird. Es wird vor Menschen und Hunden zurückschrecken, nicht aber vor Vieh. Wahrscheinlich ist das gesamte visuelle System vor der Geburt bereits „fest verdrahtet“ und braucht relativ wenig Verarbeitung in der Gehirnrinde. Andererseits braucht das visuelle System des Menschen, das so sehr von der Gehirnrinde abhängt, mehrere Jahre bis zur Reife.
In neurale Module trichtern
Eine merkwürdige Tatsache bei den bisher gemachten Entdeckungen über den Aufbau des Gehirns ist, daß nur wenige direkte Entsprechungen zwischen Hardware in großem Maßstab und Software höherer Stufe gefunden worden sind. Der Sehkortex zum Beispiel ist ein Stück Hardware großen Maßstabs, das aber völlig für einen Software-Zweck eingesetzt wird — die Verarbeitung visueller Information —, und doch findet die ganze Verarbeitung, die wir bis jetzt entdeckt haben, noch immer auf ganz niedriger Stufe statt. Nichts ist im Sehkortex lokalisiert worden, das dem Erkennen von Objekten auch nur nahe käme. Das bedeutet, daß niemand weiß, wo und wie der Output von komplexen und hyperkomplexen Zellen in das bewußte Erkennen von Formen, Bildern, Gesichtern usw. umgesetzt wird. Man hat nach Anzeichen für die „Eintrichterung“vieler Reaktionen von Neuronen niedriger Stufe in immer weniger von solchen hoher Stufe gesucht, was dann etwa in der sprichwörtlichen
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