Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
in einem eingeschränkten Sinn des Worts, als Ergebnis einer Isomorphie entsteht, die typographische Symbole auf Zahlen, Operationen und Beziehungen abbildet und Ketten von typographischen Symbolen auf Aussagen. Nun haben wir im Gehirn keine typographischen Symbole, aber wir haben dafür etwas noch besseres: aktive Elemente, die Informationen speichern und weitergeben und sie von anderenaktiven Elementen empfangen können. Also haben wir aktive Symbole anstatt der passiven typographischen Symbole. Im Gehirn sind die Regeln mit den Symbolen gemischt, wohingegen die Symbole auf dem Papier statische Einheiten sind und die Regeln sich in unserem Kopf befinden.
Wichtig ist es, nicht wegen der eher starren Natur aller formalen Systeme, die wir betrachtet haben, anzunehmen, daß die Isomorphie zwischen Symbolen und Dingen der Wirklichkeit ein starres ein-eindeutiges Abbilden bedeutet, wie die Fäden, die eine Marionette und die sie führende Hand verbinden. In TNT kann der Begriff „fünfzig“ auf verschiedene Arten symbolisch ausgedrückt werden, zum Beispiel:
(( SSSSSSS0 · SSSSSSS0 )+( S0 · S0 ))
(( SSSSS0 · SSSSS0 )+( SSSSS0 · SSSSS0 ))
Daß beide Ketten die gleiche Zahl darstellen, ist nicht von vornherein klar. Man kann jeden Ausdruck für sich manipulieren, und an irgend einem Punkt über einen S ATZ stolpern, so daß man ausruft: „Ach — diese Zahl ist es!“
Man kann in seinem Kopf auch verschiedene Beschreibungen eines Menschen haben, zum Beispiel:
Die Person, deren Buch ich vor einiger Zeit an einen Freund in Polen sandte.
Der Fremde, der mit mir und meinen Freunden heute abend im Café ein Gespräch anknüpfte.
Daß beide Formulierungen die gleiche Person darstellen, ist nicht von vornherein klar. Man kann beide Beschreibungen ohne Verbindung im Kopf haben. Irgendwann einmal an diesem Abend stolpert man vielleicht über ein Gesprächsthema, das zu der Erkenntnis führt, daß sie dieselbe Person bezeichnen, so daß man ausruft: „Ach — dieser Mensch sind Sie!“
Nicht alle Beschreibungen einer Person brauchen an ein Zentralsymbol für diese Person gebunden zu sein, das ihren Namen speichert. Beschreibungen können in sich selbst erzeugt und manipuliert werden. Wir können nichtexistente Menschen erfinden, indem wir Beschreibungen von ihnen anfertigen; wir können zwei Beschreibungen miteinander verschmelzen, wenn wir merken, daß sie ein und dasselbe Wesen repräsentieren; wir können eine Beschreibung in zwei aufspalten, wenn wir erkennen, daß sie zwei Dinge und nicht eines repräsentiert usw. Der „Beschreibungskalkül“ ist der Kern allen Denkens. Man nennt ihn intensional und nicht extensional , was bedeutet, daß Beschreibungen „frei schweben“, ohne daß sie In einem spezifischen, bekannten Objekt verankert wären. Die Intensionalität des Denkens hängt mit seiner Flexibilität zusammen; sie gibt uns die Fähigkeit, uns hypothetische Welten vorzustellen, verschiedene Beschreibungen zu verschmelzen oder eine Beschreibung in verschiedene Stücke aufzuspalten, usw.
Nehmen wir an, eine Freundin, die sich Ihr Auto ausgeliehen hat, teilt Ihnen telefonisch mit, daß sie damit auf einer nassen Bergstraße abgerutscht, gegen eine Böschung gestoßen und dann umgestürzt und daß sie knapp dem Tode entronnen sei. In Ihrem Geist beschwören Sie eine Reihe von Bildern herauf, die immer lebhafterwerden in dem Maße, indem die Freundin weitere Einzelheiten beifügt, und schließlich sehen Sie alles „im Geiste“ vor sich. Und dann sagt sie Ihnen, das alles sei nur ein Aprilscherz gewesen und sie und das Auto seien in bester Verfassung. Die Erzählung und die Bilder verlieren nichts von ihrer Lebendigkeit, und die Erinnerung daran bleibt Ihnen auf lange, lange Zeit. Später einmal halten Sie die Freundin vielleicht sogar für eine schlechte Fahrerin — wegen der Stärke des ersten Eindrucks, der doch hätte ausgelöscht werden müssen, als Sie erfuhren, daß alles nicht wahr sei. Phantasie und Fakten verquicken sich in unserem Hirn sehr eng, und das kommt daher, daß Denken die Erzeugung und Manipulation komplexer Beschreibungen hervorruft, die keineswegs an wirkliche Vorfälle oder Dinge gebunden zu sein brauchen.
Eine flexible, intensionale Darstellung der Welt — darum geht es beim Denken. Wie kann nun ein physiologisches System wie das Hirn ein solches System tragen?
Die „Ameisen“ des Gehirns
Die wichtigsten Zellen in einem Gehirn sind die Nervenzellen, Neuronen genannt (s. Abb.
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