Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Aktivierungszuständen vorstellt. Es ist weit schwieriger als das, einen Zustand des Gehirns auf der Symbolstufe festzunageln.
Symbole — Software oder Hardware?
Angesichts des riesigen und ständig weiterwachsenden Repertoires an Symbolen, das in jedem Gehirn existiert, könnte man sich fragen, ob schließlich der Punkt kommt, an dem das Gehirn gesättigt ist — an dem einfach kein Platz für ein neues Symbol mehr ist. Dieser Fall träte vermutlich dann ein, wenn die Symbole sich nie überschneiden würden, wenn ein bestimmtes Neuron nie eine Doppelfunktion hätte, so daß es sich mit Symbolen so verhielte, wie mit Menschen, die in einem Aufzug fahren: „Vorsicht: Dieses Gehirn hat eine maximale Tragfähigkeit von 350275 Symbolen!“
Das ist indes kein notwendiges Charakteristikum des Symbolmodells der Hirnfunktionen. Überlappende und vollständig verwickelte Symbole sind ja wahrscheinlich die Regel, so daß jedes Neuron, weit entfernt davon, ein Bestandteil eines einzelnen Symbols zu sein, wahrscheinlich ein funktionaler Bestandteil von Hunderten von Symbolenist. Das macht die Sache etwas beunruhigend, denn wenn es wahr ist, könnte nicht genauso gut jedes einzelne Neuron Bestandteil jedes einzelnen Symbols sein? Wäre dem so, so könnten die Symbole auf keinerlei Weise lokalisiert werden — jedes Symbol wird mit dem gesamten Gehirn identifiziert. Das würde Ergebnisse wie Lashleys Entfernung von Großhirnrinde bei Ratten erklären, würde aber auch bedeuten, daß wir unsere ursprüngliche Vorstellung, das Gehirn in physisch verschiedene einzelne Teilsysteme aufzuspalten, aufgeben müssen. Unsere frühere Charakterisierung von Symbolen als „Hardware-Realisierung von Begriffen“ könnte höchstens eine allzu starke Vereinfachung sein. Wenn jedes Symbol tatsächlich aus den gleichen Neuronen bestünde wie jedes andere Symbol — was hätte es dann für einen Sinn, überhaupt von unterschiedlichen Symbolen zu sprechen? Was wäre die Signatur für die Aktivierung eines bestimmten Symbols, d. h. wie ließe sich die Aktivierung von Symbol A von der von Symbol B unterscheiden? Ginge damit nicht unsere ganze Argumentation den Bach hinunter? Und selbst wenn keine vollständige Überschneidung vorliegt, ist unsere Theorie nicht immer schwieriger aufrecht zu erhalten, je mehr Symbole sich tatsächlich überschneiden? (Eine mögliche Methode für die Wiedergabe von sich überschneidenden Symbolen zeigt Abb. 68 .)
Es gibt eine Methode, eine auf Symbolen beruhende Theorie aufrecht zu erhalten, sogar wenn sie sich physisch weitgehend oder vollständig überschneiden. Man betrachte die Oberfläche eines Teichs, die vielen verschiedenen Arten von großen und kleinen Wellen als Träger dienen kann. Die Hardware, nämlich das Wasser selbst, ist in allen Fällen die gleiche, aber sie besitzt verschiedene Möglichkeiten der Anregung. Solche Software-Anregungen der gleichen Hardware können alle voneinander unterschieden werden. Mit dieser Analogie will ich mich nicht bis zu dem Vorschlag vorwagen, daß all die verschiedenen Symbole einfach verschiedene Arten von „Wellen“ sind, die sich durch ein gleichförmiges neurales Medium verbreiten, das keine sinnvolle Aufteilung in physisch verschiedene Symbole zuläßt. Es könnte aber sein, daß man, will man die Aktivierung eines Symbols von der eines andern unterscheiden, einen Prozeß durchführen muß, der nicht nur die Lokalisierung der Neuronen, die sich erregen, verlangt, sondern auch sehr genaue Einzelheiten über den Zeitpunkt der Erregung dieser Neuronen. Das heißt, welches Neuron ging welchem anderen voraus und um wieviel? Wieviel Male in der Sekunde erregten sich bestimmte Neuronen? So können vielleicht verschiedene Symbole im gleichen Satz von Neuronen koexistieren, weil sie verschiedene charakteristische neurale Erregungsmuster haben. Der Unterschied zwischen einer Theorie auf der Basis physisch verschiedener Symbole und einer Theorie auf der Basis überlappender Symbole, die sich voneinander durch die Art und Weise ihrer Anregung unterscheiden, ist die, daß die ersten Hardware-Realisierungen, die letzten aber zum Teil Hardware-, zum Teil Software-Realisierungen von Begriffen liefert.
Abb. 68 . In diesem schematischen Diagramm stellen wir uns die Neuronen als in einer Ebene ausgebreitete Punkte vor. Zwei sich überschneidende Neuronenbahnen sind in verschiedenen Grautönen wiedergegeben. Es kann vorkommen, daß zwei voneinander unabhängige „Neuralblitze“
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