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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Beobachters — zum Beispiel eines Beobachters, der jeweils nur einen Schnittpunkt sehen kann —, und globale Eigenschaften erfordern nur einen umfassenderen Überblick ohne Rücksicht auf Details. So ist die Gesamtform eines Spinnennetzes eine globale Eigenschaft, während die durchschnittliche Anzahl von Linien, die durch einen Schnittpunkt gehen, eine lokale Eigenschaft ist. Nehmen wir an, wir kommen überein, daß das vernünftigste Kriterium, um zwei Spinnennetze als „isomorph“ zu bezeichnen, darin besteht, daß es von Spinnen derselben Art gesponnen wurde. Dann ist die Frage von Interesse, welche Art der Betrachtung — die lokale oder die globale — bei der Entscheidung, ob zwei Spinnennetze isomorph sind, die zuverlässigere ist. Ohne die Frage für Spinnennetze zu beantworten, kehren wir nun zur Frage der „Enge“ der Beziehung — oder „Isomorphität“, wenn man so sagen will, zweier symbolischer Netzwerke zurück.
Übersetzung von „Jabberwocky“
    Stellen wir uns drei Menschen vor, deren Muttersprache Englisch, Französisch und Deutsch ist, die ihre Muttersprache sehr gut beherrschen und Wortspiele in ihrer Sprache gerne mögen. Wären ihre symbolischen Netzwerke auf der lokalen oder der globalen Ebene sich ähnlich? Oder ist es wohl sinnvoll, eine derartige Frage zu steilen? Die Frage nimmt konkretere Gestalt an, wenn man sich die oben wiedergegebenen Übersetzungen von Lewis Carrolls berühmtem „Jabberwocky“ anschaut.
    Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil es, besser vielleicht als ein Stück Prosa, das Problem zeigt, den „gleichen Knoten“ in zwei verschiedenen Netzwerken zu finden, die auf einer gewissen Analysenebene in hohem Maße nicht-isomorph sind. Übersetzungen in Umgangssprache sind einfachere Aufgaben, da sich für jedes Wort und jede Redewendung in der Originalsprache gewöhnlich ein Wort oder eine Wendung in der neuen Sprache finden läßt. In einem Gedicht dieser Art haben dagegen viele „Wörter“ nicht ihre gewöhnliche Bedeutung, sondern dienen lediglich zur Aktivierung von Symbolen im engeren Umkreis. Was jedoch in einer Sprache nah ist, kann in der anderen weit entfernt liegen.
    So aktiviert im Gehirn eines Menschen englischer Muttersprache das Wort „slithy“ wahrscheinlich in verschiedenem Umfang Symbole wie „slimy“ (schleimig), „slither“ (gleiten), „slippery“ (schlüpfrig) „lithe“ (geschmeidig) „sly“ (schlau). Bewirkt „lubricilleux“ im Gehirn eines Franzosen etwas Entsprechendes? Was wäre überhaupt „entsprechend“? Hieße es Symbole aktivieren, die die geläufigen Übersetzungen dieser Wörter sind? Wenn es aber weder ein künstliches noch ein natürliches Wort gibt, das das bewerkstelligt? Oder wenn ein Wort zwar existiert, aber sehr intellektuell und gelehrt klingt („lubricilleux“) und nicht handfest angelsächsisch („slithy“)?
    Vielleicht wäre „huillasse“ besser als „lubricilleux“. Oder nimmt ein Franzose den lateinischen Ursprung des Wortes „lubricilleux“ nicht so wahr, wie das der Fall wäre, wenn ein Engländer ein vergleichbares Wort läse (vielleicht ,,lubricilious“)?
    Interessant ist bei der Übersetzung ins Französische auch die Transposition ins Präsens. Im Imperfekt wären einige erkünstelte Redewendungen nötig gewesen, und das Präsens hat im Französischen einen viel frischeren Geschmack als die Vergangenheit. Der Übersetzer spürte, daß das — in einem schlecht definierten, jedoch zwingenden Sinn — „angemessener“ sei, und stellt aufs Präsens um. Wer kann sagen, daß er besser gefahren wäre, hätte er das gleiche Tempus wie im Englischen beibehalten?
    In der deutschen Version kommt die komische Wendung „er an-zu-denken-fing“ vor, der im englischen Original nichts entspricht. Es ist eine spielerische Umstellung von Wörtern, höchstwahrscheinlich durch eine andere, im Englischen eine Zeile weiter oben, inspiriert: „So rested he by the Tumtum Tree“. Es entspricht und entspricht doch nicht.
    Übrigens: Warum verändert sich der ,,Tumtum-Baum“ in eine „arbre Té-Té“ im Französischen? Finden Sie es selbst heraus!
    Das Wort „manxome“ im Original , in dem das „x“ viele reiche Obertöne mit sich bringt, ist auf deutsch schwach als „manchsam“ wiedergegeben. Dem französischen „manscant“ fehlen ebenfalls die mannigfaltigen Obertöne von „manxome“. Eine solche Übersetzungsaufgabe ist von größtem Interesse.
    Angesichts solcher Beispiele stellt man

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