Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Kehrseite der Medaille zeigt sich in der Intensität der Kommunikation, die zwischen den unwahrscheinlichsten Partnern entsteht. Man denke an die Schranken, die es zu überwinden gilt, wenn man die Gedichte liest, die François Villon (15. Jahrhundert) im Gefängnis geschrieben hat, ein anderes menschliches Wesen in einem anderen Zeitalter, ein Gefangener, der eine andere Sprache spricht ... Wie kann man auch nur hoffen, ein Gefühl für die Nebenbedeutungen zu bekommen, die hinter der Fassade der Worte — die auch noch ins Deutsche übersetzt sind — mitschwingen? Und doch dringt eine Fülle von Bedeutung durch.
So können wir einerseits alle Hoffnung fahren lassen, bei Menschen völlig isomorphe Software zu finden, aber andererseits ist es klar, daß gewisse Menschen sich im Denken ähnlicher sind als andere. Eine auf der Hand liegende Schlußfolgerung wäre die, daß es eine Art von partiellen Software-Isomorphien gibt, die die Gehirne von Menschen ähnlichen Denkstils verbindet — insbesondere eine Entsprechung von 1) dem Symbolrepertoire und 2) den Auslösemustern von Symbolen.
Vergleich verschiedener semantischer Netzwerke
Was aber ist partielle Isomorphie? Eine äußerst schwer zu beantwortende Frage! Noch schwieriger wird sie dadurch, daß noch niemand eine angemessene Methode für die Darstellung der Symbolnetzwerke und deren Auslösemuster gefunden hat. Mitunter zeichnet man ein kleines Stück eines solchen Netzes, wobei jedes Symbol durch einen Knoten repräsentiert wird, aus dem einige Linien hinausführen. Die Linien repräsentieren Auslösebeziehungen — in einem gewissen Sinn. Solche Darstellungen versuchen, etwas von der intuitiv einleuchtenden Vorstellung der „begrifflichen Nähe“ einzufangen. Doch es gibt viele verschiedene Arten von „Nähe“, und in verschiedenen Zusammenhängen sind andere relevant. Einen winzigen Bruchteil meines eigenen „semantischen Netzwerks“ zeigt Abb. 70. Das Problem liegt darin, daß die Darstellung vieler, in komplexer Weise von einander abhängiger Symbole sich nicht ohne weiteres mit nur ein paar die Knoten verbindenden Linien ausführen läßt.
Ein weiteres Problem bei einem solchen Diagramm besteht darin, daß es nicht richtig ist, sich ein Symbol einfach als „an“- oder „aus“-geschaltet vorzustellen. Während das für Neuronen noch gilt, trifft es auf höherer Stufe, für eine Gruppe von Neuronen, nicht zu. In dieser Hinsicht sind Symbole beträchtlich komplizierter als Neuronen — wie zu erwarten war, da sie aus vielen Neuronen zusammengesetzt sind. Die Botschaften, die Symbole unter sich austauschen, sind komplexer als die einfache Tatsachenfeststellung: „Ich bin jetzt aktiviert“. Letzteres trifft eher bei Botschaften auf der Neuronenstufe zu. Jedes Symbol läßt sich auf viele verschiedene Arten aktivieren, und die Art der Aktivierung beeinflußt die Entscheidung, welche anderen Symbole es zu aktivieren versucht. Wie die eng verflochtenen Auslösebeziehungen bildlich veranschaulicht werden könnten — ja, ob man das überhaupt kann, ist nicht klar.
Nehmen wir aber für einen Augenblick an, das Problem sei gelöst. Nehmen wir an, wir einigten uns darauf, daß es gewisse Zeichnungen von Knoten gibt, die durch Brücken verbunden sind (sagen wir, es gibt welche in verschiedenen Farben, so daß sich verschiedene Arten begrifflicher Nähe voneinander unterscheiden lassen), die genau die Art und Weise einfangen, in der Symbole andere Symbole auslösen.
Unter welchen Voraussetzungen würden wir dann sagen, daß zwei derartige Zeichnungen isomorph oder beinahe isomorph wären? Da wir es mit einer visuellen Darstellung des Symbolnetzes zu tun haben, betrachten wir ein analoges visuelles Problem. Wie würden Sie festzustellen versuchen, ob zwei Spinnennetze von zwei Spinnen der gleichen Art gesponnen wurden? Würden Sie versuchen, einzelne Schnittpunkte zu finden, die genau miteinander übereinstimmen und so eine genaue Abbildung deseinen Netzes auf das andere herzustellen — Schnittpunkt um Schnittpunkt, Faden um Faden, vielleicht sogar Winkel um Winkel? Das wäre vergebliche Mühe. Zwei Netze sind niemals völlig gleich, und doch gibt es so etwas wie einen „Stil“, eine „Form“, ein bestimmtes Etwas, das Netze einer bestimmten Spinnenart kennzeichnet.
Bei jeder netzähnlichen Struktur — etwa einem Spinnennetz — kann man lokale und globale Eigenschaften betrachten. Lokale Eigenschaften bedürfen lediglich eines sehr kurzsichtigen
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