Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
verwendet man einen völlig neuen Namen, nämlich „ε 0 “. Und der Grund, warum ein neuer Name notwendig ist, ist der, daß ein Schritt von grundsätzlich neuer Art getan wurde — eine Art Irregularität ist aufgetreten. So muß ad hoc ein neuer Name gefunden werden.
Es gibt keine rekursive Regel zur Benennung der Ordinalzahlen
Nun könnte man zunächst glauben, daß diese Unregelmäßigkeiten beim Fortschreiten von einer Ordinalzahl zur nächsten (wie diese Namen der Unendlichkeit genannt werden) mit einem Computerprogramm verarbeitet werden könnten. Das heißt, es gäbe ein Programm, um in geordneter Art und Weise neue Namen zu erzeugen, undwenn sozusagen der Tank leer wäre, würde es den „Spezialisten für Unregelmäßigkeiten“ zu Hilfe rufen, der einen neuen Namen liefern und die Kontrolle an das einfache Programm zurückgeben würde. Das funktioniert aber nicht. Es zeigt sich, daß die Unregelmäßigkeiten in unregelmäßiger Folge auftreten, und man würde auch noch ein Programm zweiter Ordnung benötigen — das heißt ein Programm, das neue Programme herstellte, die neue Namen herstellen. Und selbst das genügt nicht. Schließlich erweist sich ein Programm dritter Ordnung als nötig. Und so weiter, und so fort.
Diese ganze, vielleicht lächerlich erscheinende Komplexität ergibt sich aus einem tiefschürfenden Satz von Alonzo Church und Stephen C. Kleene über das Wesen dieser „unendlichen Ordinalzahlen“, der besagt:
Es gibt kein rekursiv aufgebautes Notationssystem,
das jeder konstruktiven Ordinalzahl einen Namen gibt.
Was ein „rekursiv aufgebautes Notationssystem“ ist und was „konstruktive Ordinalzahlen“ sind, muß der Leser in der Fachliteratur nachschlagen. Aber die intuitive Idee haben wir dargelegt: In dem Maße, in dem die Ordinalzahlen immer größer werden, treten Unregelmäßigkeiten auf und Unregelmäßigkeiten in den Unregelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten in den Unregelmäßigkeiten in den Unregelmäßigkeiten. Kein einzelnes Schema, und sei es noch so komplex, kann alle Ordinalzahlen benennen, und daraus folgt, daß kein Algorithmus uns sagen kann, wie wir die Gödelsche Methode auf alle möglichen Arten von formalen Systemen anwenden können. Und wenn man keinen Hang zur Mystik hat, muß man deshalb schließen, daß jedes menschliche Wesen an einem gewissen Punkt einfach die Grenze seiner eigenen Fähigkeiten zur Gödelisierung erreicht. Von da an werden formale Systeme dieser Komplexität, obgleich zugegebenermaßen wegen Gödels Satz unvollständig, die gleiche Leistungsfähigkeit wie jenes menschliche Wesen besitzen.
Weitere Widerlegungen von Lucas
Nun ist das nur eine Art, gegen Lucas zu argumentieren. Es gibt andere, vielleicht stärkere, die wir später vorlegen wollen. Dieses Gegenargument jedoch ist von besonderem Interesse. Es bringt nämlich die faszinierende Vorstellung mit sich, daß man ein Computerprogramm schafft, das aus sich selber heraustreten, sich selbst vollständig von außen betrachten und den Gödel-Vernichtungstrick auf sich selbst anwenden kann. Natürlich ist das genauso unmöglich, wie daß ein Plattenspieler Platten wiedergibt, die seine Zerstörung bewirken.
Aber man sollte aus diesem Grunde TNT nicht als mangelhaft betrachten. Wenn irgendwo ein Mangel steckt, dann nicht in TNT, sondern in unseren Erwartungen, was es leisten sollte. Außerdem ist die Feststellung nützlich, daß wir dem sprachlichen Trick ebenso ausgesetzt sind, den Gödel in mathematische Formalismen transponierte — der Paradoxie des Epimenides. Das hat C. H. Whitely geistreich gezeigt, als er den Satz vorschlug: „Lucas kann diesen Satz nicht widerspruchsfrei behaupten.“ Wenn man etwas darüber nachdenkt, wird man erstens feststellen, daß er wahr ist, undzweitens, daß Lucas ihn dennoch nicht widerspruchsfrei behaupten kann. So ist Lucas also „unvollständig“, was die diese Welt betreffenden Wahrheiten angeht. Die Art, in der er die Welt in seinen Gehirnstrukturen widerspiegelt, hindert ihn daran, gleichzeitig „widerspruchsfrei“ zu sein und den wahren Satz zu behaupten. Sehr viel verwundbarer als jeder von uns ist Lucas aber nicht. Er steht einfach auf der gleichen Höhe wie ein kompliziertes formales System.
Eine amüsante Weise, die Unrichtigkeit von Lucas' Argument einzusehen, besteht darin, es in einen Kampf zwischen Männern und Frauen zu übersetzen ... Bei seinen Wanderungen stößt Luhkaas der Denker auf einen unbekannten Gegenstand —
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