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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Papier, auf das er gedruckt ist, angebracht. Dann wird es so gefaltet, daß sich zwei quadratische Öffnungen ergeben. Aber dieser Drache ist ein hartnäckiges Biest, und obgleich er nur zwei Dimensionen besitzt, besteht er auf der Annahme, daß er drei besitzt; so steckt er seinen Kopf durch eines dieser Löcher und seinen Schwanz durch ein anderes. 5
    Diese zweite Bemerkung ist sehr aufschlußreich. Sie besagt, daß, so kunstvoll man auch versucht, drei Dimensionen in zweien zu simulieren, man doch das „Wesen der Dreidimensionalität“ verfehlt. Der Drache bemüht sich sehr, gegen seine Zweidimensionalität anzugehen. Er trotzt der Zweidimensionalität des Papiers, auf das er sich gezeichnet glaubt, indem er seinen Kopf hindurchsteckt, und doch können wir Außenstehenden die ganze bejammernswerte Vergeblichkeit sehen; denn der Drache und die Löcher und die Faltungen sind alle bloß zweidimensionale Simulationen dieses Begriffs; und wirklich ist keine von ihnen. Der Drache jedoch kann aus dem zweidimensionalen Raum nicht heraussteigen und ihn nicht erfahren wie wir. Eschers Bild ließe sich ja beliebig weiterführen. Zum Beispiel könnten wir es aus dem Buch herausreißen, falten, Löcher hineinschneiden, es durch sich selbst hindurchführen, und dann das ganze Durcheinander fotografieren, so daß es wieder zweidimensional würde. Und mit den Fotografien könnten wir gleich verfahren. Jedesmal wenn es zweidimensional wird, so durchtrieben wir drei Dimensionen in zweien simuliert zu haben glauben kann es wieder zerschnitten und gefaltet werden.
    Mit dieser wunderbaren Escherschen Metapher kehren wir nunmehr zum Unterschied zwischen Programmen und menschlichem Geist zurück. Wir sprachen vom Versuch, den „Gödelisierungsoperator“ selbst ins Programm aufzunehmen. Nun, sogar wenn wir ein Programm geschrieben hätten, das diese Operation ausführte, würde es das Wesentliche von Gödels Methode nicht einfangen. Denn auch hier könnten wir, außerhalb des Systems, es in einer Weise zertrümmern, wie es selber das nicht könnte. Aber argumentieren wir eigentlich mit oder gegen Lucas?

Abb. 76 . Drache , von M. C. Escher (Holzstich, 1952).
Die Grenzen intelligenter Systeme
    dagegen. Denn gerade die Tatsache, daß wir kein Programm für die „Gödelisierung“ schreiben können, muß uns etwas mißtrauisch machen, ob wir es in jedem Fall tun könnten. Eine Sache ist es, abstrakt darzulegen, daß Gödelisierung „ausgeführt werden kann“, eine andere, zu wissen, wie das in jedem Einzelfall zu geschehen hat. Tatsächlich kommt unsere eigene Fähigkeit zu „gödelisieren“ schließlich ins Wanken, während formale Systeme (oder Programme) ständig an Komplexität zunehmen. Das ist unumgänglich, weil wir, wie oben gesagt, keinen Algorithmus zur Beschreibung, wie das zu machen ist, besitzen. Wenn wir nicht explizit sagen können, was alles dazugehört, um Gödels Methode in allen Fällen anzuwenden, dann kommt für jeden von uns schließlich ein so komplizierter Fall, daß wir einfach nicht herausfinden können, wie sie anzuwenden ist.
    Natürlich wird die Grenze der menschlichen Fähigkeiten etwas verschwommen definiert, genau so wie bei Gewichten, die man vom Boden aufhebt. Während man an gewissen Tagen einen 150 Pfund schweren Gegenstand nicht aufheben kann, geht es vielleicht an anderen Tagen. Überhaupt keinen Tag gibt es jedoch, an dem man einen Gegenstand von 250 Tonnen aufheben könnte. Und in diesem Sinn: obgleich die Gödelisierungsschwelle für jeden einzelnen vage ist, gibt es für jeden Menschen Systeme, die weit jenseits seiner Fähigkeit zu gödelisieren liegen.
    Die Geburtstagskantatatata illustriert das. Zunächst scheint es offensichtlich so zu sein, daß Herr Schildkröte Achilles so lange plagen kann, wie er will. Aber dann versucht Achilles, alle Antworten mit einem Schlag zusammenzufassen. Das ist etwas anderes als alles, was voranging, und es erhält den neuen Namen „ω“. Die Neuigkeit des Namens ist sehr wichtig. Es ist das erste Beispiel, in dem über das alte Benennungsschema — das nur Namen für alle natürlichen Zahlen enthielt — hinausgegangen werden mußte. Dann kommen noch einige Erweiterungen. Die Namen von einigen sind ganz offensichtlich, andere sind eher vertrackt. Aber schließlich gehen uns die Namen wieder aus — an dem Punkt, an dem die Antwort-Schemata
    ω, ω ω , ω ω ω , . . .
    alle in einem Antwortschema von unermeßlicher Komplexität subsumiert sind. Dafür

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