Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
aber dennoch ein dichtes „organisches“ Ganzes bilden.
Die vier Stufen der Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstrukturen lassen sich auch mit den vier Ebenen des MU-Bildes ( Abb. 60 ) in Präludium und ... emsige Fuge vergleichen. Die Globalstruktur — bestehend aus den Buchstaben „M“ und „U“ ist eine Quartärstruktur, dann besitzt jeder dieser beiden Teile eine Tertiärstruktur, die aus „HOLISMUS“ und „REDUKTIONISMUS“ besteht; dann existiert das entgegengesetzte Wort auf der Sekundärebene, und ganz unten ist die Primärstruktur, wieder das Wort MU, endlos wiederholt.
Polyribosome und zweistufige Kanons
Wir kommen nunmehr zu einer weiteren schönen Parallele zwischen Wiedergabegeräten, die ein Band in Musik, und Ribosomen, die mRNS in Proteine umsetzen. Man stelle sich eine Anzahl von Wiedergabegeräten vor, die in einer Reihe in gleichen Abständen voneinander angeordnet sind. Wir können dieses Arrangement „Polyrecorder“ nennen. Nun stelle man sich ein einzelnes Tonband vor, das nacheinander durch alle Tonköpfe der einzelnen Geräte läuft. Wenn das Band eine einzelne lange Melodie enthält, wird der Output natürlich ein vielstimmiger Kanon sein, wobei die zeitliche Verschiebung durch die Zeit bestimmt wird, die das Band von einem Gerät zum nächsten braucht. In den Zellen gibt es tatsächlich solche „Molekular-Kanons“, wobei viele Ribosome, in langen Linien angeordnet — man nennt das Polyribosome—, alle den gleichen Strang von mRNS „spielen“ und nacheinander identische Proteine hervorbringen ( Abb. 97 ).
Aber nicht nur das — die Natur tut noch mehr. Man erinnere sich daran, daß mRNS ein Transkript von DNS ist; die Enzyme, die für diesen Vorgang zuständig sind, nennt man RNS-Polymerasen („ase“ ist das allgemeine Suffix für Enzyme). Oft geschieht es, daß eine Reihe von RNS-Polymerasen parallelgeschaltet auf einem einzigen DNS-Strang operiert, mit dem Ergebnis, daß viele verschiedene (aber gleich beschaffene) Stränge von mRNS hergestellt werden, wobei jeder gegenüber den anderen um die Zeitspanne verschoben ist, die die DNS braucht, um von einer RNS-Polymerase zur nächsten zu gleiten. Gleichzeitig kann es verschiedene Ribosome geben, die auf jeder der parallel in Erscheinung tretenden mRNSs operiert. So kommt man zu einem Doppeldecker, oder zweistufigen „Molekular-Kanon“ (Abb. 98).
Das entsprechende musikalische Bild ist etwas weit hergeholt, aber ein amüsantes Szenarium: Verschiedene Kopisten sind gleichzeitig am Werk, und jeder kopiert das gleiche Originalmanuskript aus einem Schlüssel, den Flötisten nicht lesen können in einen, den sie lesen können. Wenn ein Kopist eine Seite des Originalmanuskripts beendet hat, gibt er sie dem nächsten Kopisten weiter und beginnt selbst mit der Transkription einer neuen Seite. Unterdessen liest eine Anzahl von Flötisten von jeder Partitur, die aus den Händen der Kopisten kommt — jeder Flötist zeitverschoben im Hinblick auf die anderen, die vom gleichen Blatt spielen. Dieses ziemlich wilde Bild gibt vielleicht eine Vorstellung von der Kompliziertheit der Vorgänge, die in jeder einzelnen Zelle des menschlichen Körpers jeden Tag, jede Minute geschehen ...
Abb. 98 . Ein noch komplexeres Schema. Nicht nur ein, sondern mehrere mRNS-Stränge, die alle durch Transkription eines einzigen DNS-Strangs entstanden sind, werden vom Polyribosom bearbeitet. Das Ergebnis ist ein zweistufiger Molekular-Kanon. [Aus: Hanawalt und Haynes, The Chemical Basis of Life, S. 271.]
Was war zuerst da: Ribosom oder Protein?
Wir haben von den Wundertieren gesprochen, die man Ribosome nennt — aber woraus bestehen sie selbst? Wie entstehen sie? Ribosome sind aus zwei verschiedenen Arten von Dingen zusammengesetzt: 1) verschiedene Protein-Arten und 2) einer anderen Art von RNS, ribosomale RNS (rRNS). Um also ein Ribosom herzustellen, müssen gewisse Arten von Proteinen vorhanden sein, die sie erzeugen. Wie vermeidet man diesen Teufelskreis? Was kommt zuerst — Ribosom oder Protein? Was stellt was her? Darauf gibt es natürlich keine Antwort, weil die Dinge immer auf vorhergehende Mitglieder derselben Klasse zurückgeführt werden — genau wie bei der Scherzfrage über Henne und Ei —, bis alles hinter dem Horizont der Zeit verschwindet. Auf jeden Fall bestehen Ribosome aus zwei Stücken, einem großen und einem kleinen, die beide etwas rRNS und einige Proteine enthalten. Ribosome haben etwa die Größe großer Proteine;
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