Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
Vom Netzwerk:
jeder derartige Versuch völlig gelingen; die DNS kann sich auf keine Weise am eigenen Schopf herausziehen. Der genetische Code muß zum Teil schon vorher in der Zelle vorhanden sein, um die Herstellung von Enzymen zu ermöglichen, welche die tRNSs selbst nach der Vorlage von DNS transkribieren. Dieser Versuch, die Notwendigkeit für jede äußere Botschaft zu umgehen, ist wie Eschers Drachen, der sich alle erdenkliche Mühe gibt, innerhalb des Kontextes der zweidimensionalen Welt, die ihn gefangen hält, dreidimensional zu sein. Er scheint schon weit gekommen zu sein, aber er wird es natürlich, trotz der guten Imitation, die er von der Dreidimensionalität gibt, niemals erreichen.
Interpunktion und Rahmen
    Wie weiß ein Ribosom, wann ein Protein fertig ist? Genau wie in der Typogenetik gibt es im Inneren der mRNS ein Signal , das das Ende oder den Beginn eines Proteins anzeigt. Drei spezielle Codons — UAA, UAG, UGA — dienen als Interpunktionszeichen und nicht zur Codierung von Aminosäuren. Wann immer ein solches Triplett im „Tonkopf“ eines Ribosoms einrastet, gibt das Ribosom das Protein, an dem es arbeitet, frei, und beginnt mit einem neuen.
    Unlängst wurde das ganze Genom des winzigsten bekannten Virus, ΦX174, bloßgelegt. Dabei machte man beiläufig eine unerwartete Entdeckung: Einige seiner neun Gene überschneiden sich, d. h. zwei verschiedene Proteine werden durch dasselbeStück DNS codiert! Es gibt sogar ein Gen, das vollständig in einem anderen enthalten ist! Das wird dadurch bewerkstelligt, daß die Bezugsrahmen der beiden Gene um genau eine Einheit gegeneinander verschoben sind. Die Informationsdichte eines solchen Schemas Ist unglaublich. Das ist natürlich die Inspiration des seltsamen „4/17 Haiku“ in Achilles' Glücksküchlein im Kanon durch intervallische Augmentation.
Rekapitulation
    Kurz gesagt schält sich somit das folgende Bild heraus: Von seinem zentralen Thron aus schickt die DNS lange Stränge von mRNS zu den Ribosomen im Cytoplasma, welche, indem sie von den „Spickzetteln“ der tRNs, die um sie herumschweben, Gebrauch machen, gemäß der Blaupause in mRNS Proteine aufbauen — eine Aminosäure nach der anderen. Nur die Primärstruktur der Proteine wird von der DNS diktiert; aber das genügt, denn während sie aus den Ribosomen hervorkommen, falten sich die Proteine „magisch“ zu komplexen Gebilden, die die Fähigkeit besitzen, als leistungsfähige chemische Maschinen zu fungieren.
Strukturschema und Bedeutung in Proteinen und in der Musik
    Wir haben das Bild von Ribosomen als einem Aufnahmegerät, von mRNS als dem Band und von Protein als Musik gebraucht. Das mag willkürlich erscheinen, und doch bestehen elegante Parallelen. Musik ist nicht einfach eine bloß lineare Notenfolge. Unser Geist nimmt Musikstücke auf einer weit höheren Ebene auf. Wir ballen Noten zu Phrasen, Phasen zu Melodien, Melodien zu Sätzen und Sätze zu vollständigen Stücken. Desgleichen haben Proteine einen Sinn nur dann, wenn sie als geballte Einheiten fungieren. Obgleich eine Primärstruktur alle Informationen für die zu schaffende Tertiärstufe trägt, stellt sie rein gefühlsmäßig doch weniger dar, denn ihr Potential wird nur realisiert, wenn die Tertiärstruktur tatsächlich materiell erzeugt ist.
    Übrigens haben wir nur von Primär- und Tertiärstrukturen gesprochen, und man wird sich wohl fragen, was mit der Sekundärstruktur los ist. Es gibt sie tatsächlich, wie es auch eine Quartärstruktur gibt. Die Auffaltung des Proteins findet auf mehr als einer Stufe statt. Insbesondere besteht an gewissen Punkten auf der Kette von Aminosäuren die Tendenz, eine Art von Helix zu bilden, die Alpha-Helix heißt (nicht zu verwechseln mit der DNS-Doppelhelix). Diese helikale Verformung eines Proteins findet auf einer niedrigeren Ebene als der der Tertiärstruktur statt. Diese Strukturebene ist auf Abb. 95 zu erkennen. Die Quartärstruktur läßt sich unmittelbar mit dem Aufbau eines Musikstücks mit voneinander unabhängigen Sätzen vergleichen, denn sie erfordert die Zusammenfügung von verschiedenen Polypeptiden in ihrer vollen tertiären Schönheit zu einer größeren Struktur. Die Bindung dieser voneinander unabhängigen Stränge geschieht gewöhnlich durch Wasserstoffbrücken und nicht durch kovalente Bindungen; das entspricht natürlich genau einem Musikstück, das sich aus verschiedenen Sätzen zusammensetzt, die weit weniger fest aneinander gebunden sind, als sie es nach Innen sind, die

Weitere Kostenlose Bücher