Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
hat, eine gewisse Vorstellung von dem ungeheuer komplexen System, das eine Zelle darstellt, zu geben — ein Informationsverarbeitungssystem mit einigen überraschend neuartigen Zügen. Wir haben bei der Abbildung des Zentraldogmas gesehen, daß wir zwar versuchen können, einen klaren Trennungsstrich zwischen Programm und Daten zu ziehen, daß diese Unterscheidung aber etwas willkürlich ist. Wenn wir diese Überlegungen weiterführen, finden wir, daß nicht nur Programme und Daten eng miteinander verflochten sind, sondern auch der Interpreter von Programmen, der physische Prozessor und sogar die Sprache sind damit aufs engste verbunden. Obgleich es also bis zu einem gewissen Grad — möglich ist, Grenzen zu ziehen und die verschiedenen Ebenen voneinander zu trennen, ist es ebenso wichtig, zu erkennen, wie die Ebenen sich kreuzen und mischen. Eine Illustration dafür ist die erstaunliche Tatsache, daß in biologischen Systemen alle für ein Selbst-Rep nötigen Eigenschaften (also Sprache, Programm, Daten, Interpreter und Prozessor) so eng zusammenarbeiten, daß alle gleichzeitig verdoppelt werden — was zeigt, wieviel tiefer biologische Selbst-Rep geht als irgendetwas, das bisher vom Menschen in dieser Richtung entworfen worden ist. Zum Beispiel setzt das zu Beginn dieses Kapitels vorgelegte Selbst-Rep-Programm die Existenz von drei externen Aspekten stillschweigend voraus: Sprecher, Interpreter, Prozessor — und repliziert diese nicht.
Versuchen wir, verschiedene Möglichkeiten zusammenzufassen, wie die Bestandteile einer Zelle in der Sprache der Computerwissenschaft klassifiziert werden können. Nehmen wir zuerst DNS. Da die DNS die gesamte Information für den Aufbau von Proteinen enthält, die die aktiven Elemente der Zelle sind, kann sie als in einer Sprache höherer Stufe geschriebenes Programm aufgefaßt werden, das dann in die „Maschinensprache“ der Zelle (Proteine) übersetzt und interpretiert wird. Andererseits ist die DNSselbst ein passives Molekül, das von verschiedenartigen Enzymen manipuliert wird; in diesem Sinn entspricht ein DNS-Molekül auch einer langen Folge von Daten. Drittens enthält die DNS die Schablonen, von denen die tRNS-„Spickzettel“ abgepaust werden, und das bedeutet, daß die DNS auch die Definition Ihrer eigenen Sprache höherer Stufe enthält.
Gehen wir zu den Proteinen über. Proteine sind aktive Moleküle und führen alle Funktionen der Zelle aus; deshalb ist es ganz angemessen, sie als Programme in der „Maschinensprache“ der Zelle aufzufassen (wobei die Zelle selbst der Prozessor ist). Da andererseits Proteine Hardware sind und die meisten Programme Software, ist es vielleicht besser, die Proteine als Prozessoren aufzufassen. Drittens wirken Proteine oft auf andere Proteine ein, was bedeutet, daß Proteine oft Daten sind. Schließlich kann man Proteine auch als Interpreter sehen; dies bedingt, daß man die DNS als eine Sammlung von Programmen in Sprache höherer Stufe versteht, und in diesem Fall führen die Enzyme einfach die im DNS-Code geschriebenen Programme aus, was bedeutet, daß die Proteine als Interpreter handeln.
Und dann die Ribosome und die tRNS-Moleküle. Sie regeln die Translation von DNS in Proteine, was mit der Übersetzung eines Programms aus einer Sprache hoher Stufe in eine Maschinensprache verglichen werden kann; mit anderen Worten, die Ribosome fungieren als Interpreter, und die tRNS-Moleküle liefern die Definition der Sprache höherer Stufe. Aber eine andere Auffassung der Translation spricht von den Ribosomen als Prozessoren, wobei die tRNSs Interpreter sind.
In unserer Analyse der Beziehungen aller dieser Biomoleküle untereinander haben wir noch kaum die Oberfläche angekratzt. Doch wir haben gesehen, daß die Natur sich beim Vermischen von Ebenen, die wir gerne als ganz verschieden voneinander ansehen, ganz behaglich fühlt. In der Computerwissenschaft besteht tatsächlich eine Tendenz, alle diese anscheinend verschiedenen Aspekte eines datenverarbeitenden Systems miteinander zu vermischen. Das trifft vor allem auf die AI-Forschung zu, die im allgemeinen beim Entwerfen von Computersprachen in vorderster Front steht.
Der Ursprung des Lebens
Wenn man sich dieser unglaublich verzwickten, ineinandergreifenden Stücke von Hardware und Software bewußt geworden ist, stellt sich eine auf der Hand liegende und fundamentale Frage: „Wie hat das überhaupt angefangen?“ Es ist doch eine wahrlich rätselhafte Sache. Man muß sich einen
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