Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
gibt uns eine Möglichkeit, wie mit einem Varioobjektiv heranzuzoomen und den Blick auf kleine Details zu richten; man muß auf den richtigen Unter-Rahmen zielen, dann auf einen von dessen Unter-Rahmen usw., bis man die erwünschte Menge von Details hat. Es ist, als habe man einen Straßenatlas der BRD, der vorne eine Karte des ganzen Landes zeigt und im Inneren der Karte einzelne Länder und sogar Karten von größeren Städten, für den Fall, daß man noch mehr Einzelheiten benötigt. Man kann sich einen Atlas mit beliebigen Mengen von Details, bis hinunter zu einzelnen Häuserblocks, Häusern, Zimmern usw. vorstellen. Es ist, als blicke man durch ein Fernrohr mit Linsen verschiedener Stärke; jede Linse dient einem eigenen Zweck. Es ist wichtig, daß man von all den verschiedenen Vergrößerungsmaßstäben Gebrauch machen kann; Einzelheiten sind oft irrelevant und sogar ablenkend.
Da beliebige verschiedene Rahmen in die Schlitze anderer Rahmen gesteckt werden können, sind die Möglichkeiten für Konflikte und „Kollisionen“ groß. Das säuberliche Schema eines umfassenden Satzes von Schichten von „Konstanten“, „Parametern“ und „Variablen“ ist eine zu starke Vereinfachung. Tatsächlich wird jeder Rahmen seine eigene Hierarchie von Variabilität haben, und dieser Umstand macht die Analyse, wie wir einen so komplizierten Vorgang wie ein Fußballspiel mit seinen vielen Unterrahmen, Unter-Unterrahmen usw. wahrnehmen, eine unglaublich vertrackte Geschichte. Welche Wechselwirkung findet zwischen all diesen vielen Rahmen statt? Wenn ein Konflikt derart auftritt, daß ein Rahmen sagt: „Dieses Ding ist eine Konstante“, aber ein anderer Rahmen: „Nein, es ist eine Variable“ — wie löst sich dieser Widerspruch? Das sind tiefgreifende und schwierige Probleme der Rahmentheorie, auf die ich keine Antwort weiß. Bis jetzt ist man sich noch nicht völlig einig, was ein Rahmen ist, oder wie man Rahmen in einem AI-Programm unterbringt. Ich versuche, einige dieser Fragen im nächsten Abschnitt auf meine Weise zu diskutieren, wenn ich über einige Rätsel zum Erkennen visueller Muster spreche, die ich „Bongard-Probleme“ nenne.
Abb. 119 . Bongard-Problem 51. [Aus: M. Bongard, Patterns Recognition, Rochelle Park, N.J. 1970.] Die folgenden Bongard-Probleme sind ebenfalls diesem Buch entnommen.
Bongard-Probleme
Bongard-Probleme (BP) sind allgemeine Probleme, wie sie der russische Gelehrte M. Bongard in seinem Buch Das Erkennen von Mustern angegeben hat. Ein typisches BP zeigt Abb. 119 — Nr. 51 in Bongards Sammlung von hundert Problemen. Diese faszinierenden Probleme sind für Muster-Erkenner, ob Maschinen oder Menschen, gedacht. (Man könnte auch noch ETIs dazunehmen — extraterrestrische Intelligenzen.) Jedes Problem besteht aus zwölf Figuren, jede in einem Kästchen, sechs links, die die Klasse I bilden, und sechs rechts, die Klasse II. Die einzelnen Kästchen kann man wie folgt bezeichnen:
I-A
I-B
00
II-A
II-B
I-C
I-D
00
II-C
II-D
I-E
I-F
00
II-E
II-F
Ein Programm zur Lösung von Bongard-Problemen hätte verschiedene Phasen, in denen die Rohdaten allmählich in Beschreibungen überführt werden. Die ersten Phasen sind verhältnismäßig unflexibel, und die späteren werden allmählich flexibler. Die späteren Phasen besitzen eine Eigenschaft, die ich Tentativität nenne, und das bedeutet einfach, daß die Art, wie ein Bild repräsentiert wird, immer nur ein Versuch („tentativ“) ist. Eine Beschreibung auf hoher Stufe läßt sich neu strukturieren, indem man alle Mittel der späteren Phase einsetzt. Auch die nachstehend vorgelegten Ideen haben etwas Tentatives an sich. Ich werde versuchen, den Leser zuerst mit den allgemeinen Ideen bekannt zu machen und über gewichtige Schwierigkeiten hinwegzugehen. Dann kehre ich noch einmal zum Anfang zurück und versuche, Feinheiten und Tricks zu erklären. So werden sich wohl auch die Vorstellungen des Lesers davon, wie das alles funktioniert, im Verlauf der Lektüre ändern. Das ist aber ganz im Geist unserer Diskussion.
Vorverarbeitung definiert ein Mini-Vokabular
Nehmen wir also an, wir hätten ein zu lösendes Bongard-Problem. Das Problem wird einer Fernsehkamera vorgelegt und die Rohdaten eingelesen. Dann werden die Rohdaten vorverarbeitet. Das heißt, daß gewisse charakteristische Eigenschaften entdeckt werden. Die Namen dieser Eigenschaften bilden ein „Mini-Vokabular“ für das Problem; sie werden einem allgemeinen „Vokabular von
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