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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Primteiler sind größer als N. Dieses Vorgehen ist für alle Zahlen N gültig, was immer N sein mag — es gibt eine Primzahl, die größer als N ist. Und damit sind wir am Ende des Nachweises, daß es unendlich viele Primzahlen gibt.
    Dieser letzte Schritt heißt übrigens Generalisierung, und wir werden später in einem mehr formalen Zusammenhang auf ihn stoßen. Die Generalisierung bestehtdarin, daß wir eine Behauptung für eine einzelne Zahl ( N ) aufstellen und dann feststellen, daß N unspezifiziert und somit die Behauptung allgemeingültig ist.
    Euklids Beweis ist typisch für das, was „wirkliche Mathematik“ darstellt. Er ist einfach, zwingend und schön. Er zeigt, daß man sich durch mehrere ziemlich kleine Schritte weit vom Ausgangspunkt entfernen kann. In unserem Fall bilden grundlegende Vorstellungen über Multiplikation, Division usw. den Ausgangspunkt. Die kurzen Schritte sind die Schritte des folgerichtigen Denkens. Und obgleich jeder einzelne Schritt auf der Hand zu liegen scheint, tut es das Endergebnis nicht. Ob die Aussage wahr oder falsch ist, können wir niemals direkt nachprüfen; dennoch glauben wir daran, weil wir an folgerichtiges Denken glauben. Akzeptiert man dieses, so gibt es keinen Ausweg; wenn man sich einmal bereit gefunden hat, Euklid bis zum Ende anzuhören, muß man auch seine Schlußfolgerung annehmen. Das ist ein äußerst glücklicher Umstand, denn er bedeutet, daß Mathematiker sich immer darüber einig sind, welche Aussagen als „wahr“ und welche als „falsch“ zu etikettieren sind.
    Dieser Beweis exemplifiziert einen wohlgeordneten Denkprozeß. Jede Aussage ist mit der vorhergehenden auf zwingende Art verknüpft. Deshalb spricht man von „Beweis“ und nicht einfach von „guter Evidenz“. Das Ziel in der Mathematik ist immer, einen hieb- und stichfesten Beweis für eine nicht auf der Hand liegende Aussage zu geben. Die Tatsache, daß die einzelnen Schritte auf schlüssige Weise miteinander verbunden sind, läßt vermuten, daß ein strukturiertes Muster vorliegt, das diese Aussagen zusammenbindet. Diese Struktur kann man am besten dadurch aufdecken, daß man ein neues Vokabular findet — ein stilisiertes, aus Symbolen bestehendes Vokabular —, das sich nur dazu eignet, Aussagen über Zahlen auszudrücken. Dann können wir den Beweis betrachten, wie er in dieser übersetzten Fassung vorliegt. Es wird sich um eine Anzahl von Aussagen handeln, die Zeile um Zeile in einer feststellbaren Weise miteinander verbunden sind. Da die Aussagen alle durch eine kleine und stilisierte Anzahl von Symbolen dargestellt werden, nehmen sie den Charakter von Mustern an. Mit andern Worten: obschon sie, wenn man sie laut liest, anscheinend Aussagen über Zahlen und ihre Eigenschaften sind, so sind sie, wenn man sie auf dem Papier sieht, anscheinend abstrakte Muster — und die Struktur des Beweises, Zeile um Zeile, sieht vielleicht allmählich wie eine langsame Transformation der Muster nach einigen wenigen typographischen Regeln aus.
Die Unendlichkeit umgehen
    Obschon Euklid beweist, daß alle Zahlen eine gewisse Eigenschaft haben, vermeidet er es, jeden der unendlich vielen Fälle getrennt zu behandeln. Er umschifft diese Klippe, indem er Wendungen wie „was immer N sein mag“ oder „ungeachtet dessen, was die Zahl N ist“ braucht. Wir könnten den Beweis auch anders fassen, so daß die Wendung „alle N “ darin vorkäme. Wenn wir den richtigen Zusammenhang und die korrekte Art und Weise, in der solche Wendungen zu gebrauchen sind, kennen, werden wir es nie mit unendlich vielen Aussagen zu tun haben, sondern mit zwei oder drei Begriffen, wieetwa „alle“ — die, obgleich endlich, eine Unendlichkeit verkörpern; und indem wir sie gebrauchen, umgehen wir das Problem, daß eine unendliche Anzahl von Tatsachen vorliegt, die wir beweisen wollen.
    Wir haben für das Wort „alle“ verschiedene Verwendungen, die durch die Prozesse des folgerichtigen Denkens definiert sind. Das heißt: es gibt Regeln, denen unser Gebrauch von „alle“ gehorcht. Wir sind uns ihrer vielleicht nicht bewußt, und vielleicht neigen wir zur Behauptung, daß unserem Vorgehen die Bedeutung des Wortes zugrunde liegt; das ist aber schließlich doch nur eine Umschreibung der Tatsache, daß wir uns von Regeln leiten lassen, die wir nie explizit aussprechen. Wir haben unser ganzes Leben lang Wörter in bestimmten Mustern gebraucht, und anstatt die Muster „Regeln“ zu nennen, schreiben wir den Gang unserer

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