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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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sich gegenseitig zeichnen, und von außen, wo Escher das Ganze zeichnet. Die subjektive Empfindung von „rot“ kommt von einem Strudel der Selbstwahrnehmung im Gehirn, die objektive Wellenlänge ist so, wie man die Dinge sieht, wenn man zurück, aus dem System hinaustritt. Obschon niemand von uns jemals imstande sein wird, so weit zurückzutreten, daß er das „große Bild“ zu sehen vermöchte, sollten wir nicht vergessen, daß es existiert. Wir sollten daran denken, daß es physikalische Gesetze sind, die das bewirken — ganz weit unten in neuralen Winkeln, die zu weit entfernt sind, als daß wir sie mit unseren introspektiven Bohrungen auf hoher Stufe erreichen könnten.
Selbst-Symbol und freier Wille
    In Kapitel XII schlugen wir vor, daß das, was wir „freien Willen“ nennen, ein Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Selbst-Symbol (oder Teilsystem) und den anderen Symbolen im Gehirn ist. Wenn wir die Idee aufgreifen, daß Symbole Größen auf hoher Ebene sind, denen Bedeutungen angeheftet werden sollten, dann können wir einen Versuch unternehmen, die Beziehung zwischen Symbolen, dem Selbst-Symbol und dem freien Willen zu erklären.
    Eine Methode, eine gewisse Übersicht über die Frage nach dem freien Willen zu erhalten, ist die, sie durch eine andere, wie ich meine: gleichbedeutende Frage zu ersetzen, aber eine, die weniger vorbelastete Ausdrücke enthält. Anstatt zu fragen: „Hat System X einen freien Willen?“ fragen wir: „Trifft das System X eine Wahl?“ Durch sorgfältiges Tasten nach dem, was wir wirklich meinen, wenn wir von einem System — ob mechanisch oder biologisch — sagen, daß es „wählt“, können wir, glaube ich, viel Licht auf den freien Willen werfen. Es wird nützlich sein, ein paar Systeme zu prüfen, die wir unter verschiedenen Bedingungen versucht wären, als „eine Wahl treffend“ zu beschreiben. Anhand dieser Beispiele können wir einen Blick darauf gewinnen, was wir mit dem Ausdruck wirklich meinen.
    Nehmen wir das folgende System als Paradigma: eine Murmel, die einen holprigen Abhang hinunterrollt; einen Taschenrechner, der die sukzessiven Ziffern in der Dezimalbruchentwicklung der Quadratwurzel von 2 findet; ein raffiniertes Programm, das diabolisch gut Schach spielt; ein Roboter in einem T-Labyrinth (ein T-Labyrinth hat nur eine einzige Verzweigung, auf deren einem Ast eine Belohnung winkt); einen Menschen, der sich einem verzwickten Dilemma gegenübersieht.
    Erstens: die Murmel, die einen Abhang hinunterrollt. Trifft sie Entscheidungen? Dazu würden wir, glaube ich, einstimmig „nein“ sagen, obschon keiner von uns ihren Weg auch nur für eine ganz kurze Strecke vorauszusagen imstande wäre. Wir haben das Gefühl, daß sie gar keinen anderen Weg als den eingeschlagenen hätte rollen können, und daß sie einfach durch die unerbittlichen Naturgesetze geschoben wurde. In unserer geballten Mentalphysik können wir uns natürlich viele verschiedene „mögliche“ Wege für die Murmel vorstellen, und in der wirklichen Welt sehen wir, daß sie nur einem folgt. Auf gewissen Stufen unseres Denkens können wir das Gefühl nicht ganz unterdrücken, daß die Murmel einen einzigen Weg aus den Myriaden vorstellbarer Wege „gewählt“ hat, aber auf einer anderen Ebene unseres Geistes haben wir ein instinktives Verständnis dafür, daß die Mentalphysik nur ein Hilfsmittel bei der inneren Modellierung der Welt ist und daß die Mechanismen, die den realen, physischen Ablauf der Ereignisse verursachen, nicht von der Natur verlangen, daß sie durch einen analogen Vorgang gehe, nämlich Varianten in einem hypothetischen Universum (dem „Gehirn Gottes“) herzustellen und dann zu wählen. So werden wir diesen Prozeß nicht als „Wahl“ bezeichnen — obgleich wir erkennen, daß es oft von pragmatischem Nutzen ist, das Wort wegen seiner evokativen Kraft in Fällen wie diesem zu gebrauchen.
    Wie steht es nun mit dem Taschenrechner, der programmiert ist, die Dezimalziffern der Quadratwurzel aus 2 zu finden? Wie steht es mit dem Schachprogramm? Hierkönnen wir sagen, daß wir eben mit „Phantasie-Murmeln“ zu tun haben, die „Phantasie-Abhänge“ hinunterrollen. Tatsächlich sind die Argumente, daß hier keine Entscheidungen getroffen werden, stärker als im Fall der Murmel. Wenn man nämlich versucht, das Murmel-Experiment zu wiederholen, wird man ohne Zweifel sehen, daß sie beim Hinunterrollen einen ganz anderen Weg einschlägt, während wenn man das Programm für die

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