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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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all-quantifizierte Kette verwandelt wird, dann kann jeder Einzelfall von G abgeleitet werden, indem man Zahlzeichen für die Variablen einsetzt. Die einzige Methode zu erklären, warum G kein S ATZ ist, besteht darin, die Gödelnumerierung zu entdecken und TNT auf einer völlig anderen Stufe zu betrachten. Es handelt sich nicht einfach darum, daß es schwierig und kompliziert ist, die Erklärung auf der TNT-Stufe niederzuschreiben; es ist unmöglich. Eine solche Erklärung gibt es einfach nicht. Auf der hohen Stufe gibt es eine Art von erklärender Kraft, die prinzipiell auf der TNT-Stufe einfach nicht vorhanden ist. Die Tatsache, daß G kein S ATZ ist, ist sozusagen eine intrinsisch auf hoher Stufe vorhandene Tatsache. Ich hege den Verdacht, daß das bei allen unentscheidbaren Behauptungen der Fall ist, d. h. jede unentscheidbare Behauptung ist tatsächlich eine Gödel-Aussage, welche die Tatsache, daß sie selber kein S ATZ ist, vermittels eines Codes in einem bestimmten System behauptet.
Bewußtsein als Phänomen intrinsisch hoher Stufe
    Wenn man ihn so betrachtet, legt Gödels Beweis nahe — beweist es aber bei weitem nicht! —, daß es eine Geist/Gehirn-Betrachtungsweise auf hoher Stufe geben könnte, die Begriffe verwendet, die auf niedrigeren Stufen nicht in Erscheinung treten, und daß diese Stufe eine erklärende Kraft besitzen könnte, die es auf tieferer Stufe nicht gibt noch nicht einmal im Prinzip. Das würde bedeuten, daß gewisse Tatsachen auf hoher Stufe ganz leicht zu erklären sind, auf niedrigeren Stufen aber überhaupt nicht. Gleichgültig was für eine lange und unhandliche Aussage man auf niedriger Stufe macht, sie wird die vorliegenden Phänomene nicht erklären. Das ist analog der Tatsache, daß wenn man eine Ableitung nach der anderen in TNT vornimmt, gleichgültig wie lang und unhandlich man sie macht, man niemals auf eine für G stößt — trotz der Tatsache, daß man auf einer höheren Stufe die Wahrheit von G erkennen kann.
    Was könnten wohl solche Begriffe hoher Stufe sein? Seit undenklichen Zeiten haben verschiedene holistisch orientierte oder „beseelte“ Wissenschaftler und Humanisten behauptet, Bewußtsein sei ein Phänomen, das sich der Erklärung auf der Grundlage von einzelnen Teilen des Gehirns entziehe — so haben wir zumindest einen Kandidaten. Dann gibt es aber auch den immer rätselhaften Begriff des freien Willens. So könnten vielleicht diese Eigenschaften in dem Sinn „auftauchen“, daß sie einer Erklärung bedürfen, die die Physiologie allein nicht liefern kann. Es ist aber wichtig, sich darüber klar zu werden, daß wenn wir uns von Gödels Beweis zu so kühnen Annahmen verleiten lassen, wir die Analogie gründlich durchführen müssen. Von größter Wichtigkeit ist es insbesondere, daran zu denken, daß die Tatsache, daß G kein S ATZ ist, eine Erklärung besitzt — sie ist nicht völlig rätselhaft! Die Erklärung hängt davon ab, daß man nicht bloß eine Stufe aufs Mal versteht, sondern die Art, in der eine Stufe ihre Metastufe spiegelt, und die Folgen dieser Spiegelung. Soll unsere Analogie gültig sein, dann würden „neu auftauchende“ Phänomene durch die Beziehung zwischen verschiedenen Stufen in Denksystemen erklärbar.
Seltsame Schleifen als Crux des Bewußtseins
    Ich glaube, daß Erklärungen von „neu auftauchenden“ Phänomenen in unserem Gehirn — z. B. Ideen, Hoffnungen, Bildern, Analogien und schließlich auch Bewußtsein und freiem Willen — auf einer Art Seltsamer Schleife beruhen, einer Wechselwirkung zwischen Stufen, bei der die oberste Stufe auf die unterste zurückgreift und auf sie einwirkt, wobei sie gleichzeitig durch die unterste Stufe bestimmt ist. In anderen Worten: eine sich selbst verstärkende „Resonanz“ zwischen verschiedenen Stufen genau wie im Henkin-Satz, der, indem er einfach seine eigene Beweisbarkeit behauptet, tatsächlich beweisbar wird. Das Selbst entsteht in dem Augenblick, in dem es fähig ist, sich selbst zu reflektieren.
    Man solle das nicht als einen anti-reduktionistischen Standpunkt verstehen. Es impliziert einfach, daß eine reduktionistische Erklärung des Geistes, um verständlich zu sein, „weiche“ Begriffe wie Stufen, Abbildungen und Bedeutungen heranziehen muß. Grundsätzlich zweifle ich nicht daran, daß es eine vollständig reduktionistische, aber unverständliche Erklärung des Gehirns gibt; die Schwierigkeit liegt darin, wie man sie in eine Sprache übersetzen kann, die wir selbst

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