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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Quadratwurzel aus 2 ein zweites Mal fährt, man ein ums andere Mal das gleiche Ergebnis erhält. Die Murmel scheint jedesmal einen anderen Weg zu „wählen“, so sehr man auch versucht, die Bedingungen des ersten Laufs wiederherzustellen, während das Programm jedesmal durch genau die gleichen Kanäle abläuft.
    Nun gibt es im Fall phantastischer Schachprogramme verschiedene Möglichkeiten. Wenn man eine Partie gegen gewisse Programme spielt und eine zweite Partie mit den gleichen Zügen beginnt, die man das erste Mal gemacht hat, werden diese Programme genau wie zuvor ablaufen. Sie haben anscheinend nichts gelernt und haben kein Bedürfnis nach Abwechslung. Es gibt Programme mit Zufallseinrichtungen, die eine gewisse Abwechslung mit sich bringen, aber nicht aus einem sonderlich tiefen Wunsch heraus. Solche Programme könnten mitsamt dem eingebauten Zufallszahlen-Erzeuger wieder auf Null gestellt werden wie beim ersten Mal, und wiederum entstünde dieselbe Partie. Sodann gibt es andere Programme, die tatsächlich aus ihren eigenen Fehlern lernen und ihre Strategie je nach dem Ergebnis der Partie abändern. Solche Programme würden ein und dieselbe Partie nicht zweimal hintereinander spielen. Natürlich könnte man auch die Uhr zurückdrehen, indem man alle Änderungen im Gedächtnis, die Lernen repräsentieren, löscht, genau wie man den Zufallszahlen-Erzeuger auf Null stellen kann, aber das ist keine sehr freundliche Handlung. Außerdem: gibt es einen Grund für die Vermutung, daß man seine eigenen, in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen abändert, wenn jedes einzelne Detail — und dazu gehört natürlich das Gehirn — so eingestellt wird, wie es anfänglich war?
    Kehren wir also zur Frage zurück, ob der Ausdruck „Wahl“ hier anwendbar ist. Wenn Programme einfach ,,Phantasie-Abhänge hinunterrollende Phantasie-Murmeln“ sind, treffen sie eine Wahl oder nicht? Die Antwort muß natürlich eine subjektive sein, aber ich würde doch sagen, daß hier so ziemlich die gleichen Erwägungen wie bei der Murmel gelten. Doch würde ich hinzufügen, daß der Reiz des Wortes „Wahl“, selbst wenn es nur ein suggestives und bequemes Kürzel ist, sehr stark wird. Die Tatsache, daß ein Schachprogramm die verschiedenen möglichen, sich verzweigenden Wege durchschaut, ganz anders als eine rollende Murmel, vermittelt viel mehr den Eindruck eines Lebewesens als ein Quadratwurzel-von-2-Programm. Indessen findet sich hier noch immer kein tieferes Bewußtsein seiner selbst und kein Gefühl des freien Willens.
    Gehen wir nun weiter und stellen wir uns einen Roboter vor, der einen Vorrat von Symbolen besitzt. Diesen Roboter setzen wir in ein T-Labyrinth. Aber anstatt auf die Belohnung zuzusteuern, ist er vorprogrammiert, nach links zu gehen, wann immer die nächste Ziffer der Quadratwurzel von 2 gerade, und nach rechts, wenn sie ungerade ist. Nun ist der Roboter fähig, die Situation in seinen Symbolen nachzubilden, so daß er sich selbst beim Treffen einer Wahl beobachten kann. Jedesmal, wenn er sich dem T nähert, würde er auf die Frage: „Weißt du, in welche Richtung du das nächste Mal gehen wirst?“ mit „Nein“ antworten müssen. Um dann weitermachen zu können,würde er sein „Entscheidungs“-Teilprogramm aktivieren, das die nächste Ziffer der Quadratwurzel von 2 berechnet — womit die Entscheidung getroffen wäre. Jedoch ist der innere Mechanismus des Entscheiders dem Roboter nicht bekannt — in den Symbolen des Roboters ist er lediglich als eine Black Box repräsentiert, die auf Grund einer mysteriösen und anscheinend auf Zufall beruhenden Regel „links“ und „rechts“ auswirft. Solange die Symbole des Roboters nicht in der Lage sind, den geheimen Herzschlag der Quadratwurzel von 2 aufzusuchen, der in „L“ und „R“ schlägt, würde er die „Wahl“, die er trifft, nicht verstehen. Trifft aber dieser Roboter überhaupt eine Wahl? Versetzen Sie sich in ihn. Wenn Sie in einer Murmel gefangen wären, die einen Abhang hinunterrollte, und wenn Sie unfähig wären, ihre Bahn zu ändern, und Sie doch mit Ihrem menschlichen Verstand beobachten könnten, hätten Sie wohl das Gefühl, daß der Weg der Murmel auf einer Wahl beruhe? Natürlich nicht. Solange Ihr Geist das Ergebnis nicht beeinflußt, spielt es keine Rolle, daß die Symbole vorhanden sind.
    Nehmen wir also eine Modifikation an unserem Roboter vor: Wir lassen seine Symbole — einschließlich seines Selbst-Symbols — die zu fällende

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