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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Existenz sei durch die geradezu brutale Rücksichtslosigkeit der Partei, die nicht einen Funken von Verantwortungsgefühl besitze, völlig vernichtet. Besonders erboste ihn, dass seine Frau von einem Besuch Hitlers im Gefängnis Landsberg mit weiter nichts als einer signierten Fotografie zurückgekehrt war. »Ich habe heute von Ludendorff oder Hitler noch nicht einen Pfennig, wohl aber einen Berg von Versprechungen bekommen und die Fotografien ›Treu um Treue‹«, schloss er sein Klagelied ab.

     
    Links: »Hermann muss Verhandlungen zwischen Mussolini und Hitler vorbereiten«: Göring mit seiner Frau Carin in Venedig, 1924
    Rechts: »Von einer bösen Macht beherrscht«: Göring laborierte in Schweden an den Folgen seiner Morphiumsucht
    In Schweden laborierte er noch immer an den Folgen seiner Verletzung. Fast täglich ließ er sich Morphium spritzen. Einst ein schlanker, gut aussehender Mann, war er bald aufgedunsen, ja fett, litt an Gedächtnisschwäche und unter dem Zwang, ohne seine Droge nicht mehr leben zu können. War es nur Zufall oder lag es doch in seiner Persönlichkeit, dass Göring zum Süchtigen wurde? Professor Albrecht Springer, Leiter der Abteilung für Suchtforschung am Anton-Prosch-Institut in Wien, hält Letzteres für möglich: »Es ist immer noch nicht wirklich klar, warum eine Person, die aus medizinischen Gründen Morphium bekommt, schwer abhängig wird und eine andere nicht. Wir wissen aber, dass Göring eine Persönlichkeit war, die sich sehr in Szene gesetzt hat, die alles in Besitz nehmen wollte, also eine ›süchtige Persönlichkeit‹ in vielen Bereichen war. Bei solchen Menschen, deren Leben gekennzeichnet ist von sehr expansiven Bedürfnissen, von einer sehr starken Gier, ist die Möglichkeit größer, dass sie eine Sucht nach einem Stoff wie Morphium entwickeln. Und sobald er süchtig ist, braucht er die Substanz, um normal funktionieren zu können. Unter Entzug verändert sich der Mensch. Er beginnt, schwere Schmerzen zu empfinden, er wird unruhig, depressiv, es kommt zu krampfartigen Zuständen, zu Tränenfluss, zu Schwitzen. Unter Entzug wirkt die Person auffällig und krank.«
    Bei Entzugserscheinungen verlor Göring mitunter die Kontrolle über sich und wollte einmal sogar seinem Leben ein Ende setzen. So konnte es nicht weitergehen. Am 1. September 1925 ließ seine Frau Carin ihn zwangsweise in der Nervenheilanstalt für gefährliche Kranke in Långbrö bei Stockholm unterbringen. Göring tobte gegen die »Freiheitsberaubung«, lamentierte lauthals, er sei »politisch ein toter Mann«, wenn die Einweisung in Deutschland bekannt werde. Nur mühsam ließ der Zweiunddreißigjährige sich bewegen, gegen die Sucht anzukämpfen und seiner Frau einen Albdruck von der Seele zu nehmen. »Du bist ein großer Geist und Mensch«, schrieb sie ihm beschwörend, »Du darfst Dich nicht unterkriegen lassen. Ich liebe Dich so sehr, mit Körper und Seele, dass ich es nicht ertragen könnte, Dich zu verlieren: Und Morphinist zu sein heißt so viel, wie Selbstmord zu verüben – jeden Tag geht ein kleiner Teil Deines Körpers und Deiner Seele verloren. Du bist von einem bösen Geist und Dein Körper von einer bösen Macht beherrscht, und der Körper siecht allmählich dahin. Rette Dich selbst und damit auch mich.« Mit wachsender Verzweiflung beobachtete sie, wie Göring offensichtlich Kraft und Wille fehlten, seine Abhängigkeit zu überwinden.
    Fünf Wochen lang befassten sich die Ärzte eingehend mit Görings Charakter und Zustand. In der überlieferten Krankenakte von Långbrö malten sie ein schwarzes Bild: »Patient störte, war depressiv, stöhnte, weinte, war ängstlich, äußerte ständig Wünsche, reizbar und schnell gerührt; bedrückt, geschwätzig, fühlt sich als Opfer ›jüdischer Verschwörung‹;...übertreibt Entzugserscheinungen; neigt zur Hysterie, ist egozentrisch, übertriebenes Selbstbewusstsein; hasst Juden, hat sein Leben dem Kampf gegen Juden gewidmet, war Hitlers rechte Hand; Halluzinationen; … Selbstmordversuch (erhängen und strangulieren); stößt Drohungen aus, hat sich heimlich ein Eisengewicht als Waffe beschafft; Visionen, Stimmen, Selbstanklagen.« »Brutaler Hysteriker mit sehr schwachem Charakter«, resümierten die Ärzte die lange »Schadensliste« des gefeierten Kriegshelden und glücklosen Putschisten, und an anderer Stelle: »eine sentimentale Person, der es grundsätzlich an moralischem Mut fehlt«. Dennoch wurde der Patient am 7. Oktober 1925

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