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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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ihn herum bereitete sich langsam eine Blutlache aus.

     
    Oben: »Reichswehr und Landespolizei stoßen bereits mit fliegenden Fahnen zu uns«: Marsch der NSDAP vom Bürgerbräukeller zur Feldherrnhalle, 9. November 1923
    Unten: »Der Putsch war gescheitert«: Nach den Schüssen an der Feldherrnhalle. Hinter einem der Steinlöwen am Eingang versteckte sich Göring vor der Polizei
    Seine Bewusstlosigkeit scheint jedoch nur kurz gewesen zu sein. Als er wieder erwachte, gelang es ihm, sich blutend vor den Polizisten hinter dem östlichen der beiden Steinlöwen vor der Feldherrnhalle zu verbergen. Hier fanden ihn SA-Leute und trugen ihn zur Residenzstraße 4, wo ein Arzt ihn behandeln sollte. Im Erdgeschoss wurde der verwundete Göring abgewiesen. Schließlich erbarmte sich Bella Ballin, die Frau eines jüdischen Möbelfabrikanten, der im zweiten Stock wohnte, des angeschossenen Putschisten. Sie leistete ihm Erste Hilfe und brachte ihn bei einbrechender Dunkelheit in die Klinik des mit ihr befreundeten Professors von Ach. Ihre Hilfe sollte den Ballins später noch einmal zugute kommen. Als im »Dritten Reich« Juden keine Aufträge mehr erhielten und die Ballins ihr alteingesessenes Möbelgeschäft schließen mussten, sorgte Hermann Göring persönlich dafür, dass sie beim Verkauf 1937 einen angemessenen Preis erhielten und ein Jahr später von der Vermögensabgabe befreit wurden, die allen Juden nach der so genannten Kristallnacht von Göring auferlegt wurde. Auch in den folgenden Jahren hielt er seine schützende Hand über die Familie. Mit seiner Hilfe konnten die Ballins noch am 5. März 1942, als bereits die Todeszüge mit deutschen Juden in die Vernichtungslager des Ostens rollten, über die Schweiz in die Vereinigten Staaten auswandern.
    In der Klinik stellte sich heraus, dass eine Kugel Göring im Oberschenkel getroffen hatte, nur wenige Millimeter von der Schlagader entfernt. Heftige Schmerzen plagten den Verwundeten, der nicht mehr gehen konnte. Auch nachdem der Arzt die Wunde gereinigt und verbunden hatte, blieben Splitter von Kugel und Steinen zurück und führten in den nächsten Wochen zu schmerzhaften Eiterbildungen. Dann begann die Flucht vor der Polizei. Zusammen mit Carin, die von ihrem Krankenbett sofort an das ihres Mannes geeilt war, passierte Göring die Grenze nach Österreich, wo ihm die Ärzte im Innsbrucker Krankenhaus zum ersten Mal Morphium spritzten – die Droge, die ihn zum Süchtigen machte, aber die Schmerzen für kurze Zeit vergessen ließ. Das Scheitern von München hatte den Traum von einer politischen Karriere jäh zerplatzen lassen. Bayerns Regierung suchte steckbrieflich nach ihm. Im Gegensatz zu Hitler, dem in München der Prozess gemacht wurde, befand er sich zwar auf freiem Fuß, doch die Schmerzen bereiteten ihm trotz des Morphiums fast unerträgliche Qualen. Sowohl Görings Leibarzt Dr. Ramon von Ondarza als auch seine langjährige Krankenschwester berichteten nach dem Krieg von einer schweren Hodenverletzung. Göring selbst hielt sich seitdem für unfruchtbar.

Der Aufsteiger
     
    Die Verbindung zwischen Göring und Hitler blieb auch in den Monaten nach dem gescheiterten Putsch bestehen. Hitler, der in Landsberg eine milde Haftstrafe verbüßte, wies den nach Österreich Geflüchteten an, sofort nach Italien zu fahren und Kontakt mit Mussolini aufzunehmen. Seine verbindliche Art und der blinkende Pour le Mérite sollten den »Duce« animieren, der zerrütteten »Bewegung« jenseits der Alpen unter die Arme zu greifen – eine Illusion. Mussolini empfing Hitlers bettelnden Boten nicht einmal. Während im Reich sein Besitz beschlagnahmt wurde und Ernst Röhm die SA übernahm, zog sich das Ehepaar Göring im Frühjahr 1925 mittellos und enttäuscht zu Carins Familie nach Schweden zurück. Seine Fäden zur NS-Bewegung wurden immer dünner und zerrissen fast gänzlich. Ohne Rückfrage strich man ihn aus der Dienst- und Mitgliederliste der Partei, was Göring erst nach der »Machtergreifung« bemerkte. Jetzt rächte sich, dass er nur auf Hitler gebaut und nie einen Rückhalt im Parteiapparat gesucht hatte. In einem Brief aus dem Stockholmer Exil beklagte sich Göring bei einem Kriegskameraden bitter darüber, dass keiner der ehemaligen Parteigenossen auch nur einen Finger rühre, um ihm aus der Not zu helfen – und dies, obwohl er, wie er übertreibend behauptete, sein gesamtes Vermögen für den Aufbau der SA und die Vorbereitung des Münchner Putsches verwendet habe. Seine

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