Göring: Eine Karriere (German Edition)
politische Macht umzumünzen. Dafür schien Göring in den Augen Hitlers der richtige Mann zu sein. Ihm, der schon jetzt über gute Beziehungen verfügte, traute Hitler zu, der Partei auf dem gesellschaftlichen und politischen Parkett der Hauptstadt zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen. Für den Parteichef, der in München blieb, wurde Göring die wichtigste Schaltstation in der Reichshauptstadt; er vermittelte ihm einflussreiche Gesprächspartner und führte in dessen Auftrag geheime Verhandlungen. Wie selbstverständlich begleitete Göring daher Hitler am 5. Oktober 1930 zum ersten Treffen mit Reichskanzler Brüning. Auf Geheiß Hitlers wählte die Fraktion Göring zum stellvertretenden Vorsitzenden. Den Abend nach der Fraktionssitzung, die Hitler persönlich geleitet hatte, verbrachte dieser in Görings Wohnung in der Badenschen Straße mit so illustren Gästen wie dem Prinzen von Hessen oder dem Prinzen und der Prinzessin von Wied. Goebbels, der ebenfalls in Görings Wohnung geladen war, mokierte sich über den politischen Senkrechtstarter, der sich im Glanz der neuen Bedeutung sonnte. In sein Tagebuch notierte er: »Göring tut so, als ob er stellvertretender Papst sei, nachdem er im Fraktionsvorstand sitzt. Na ja, neue Besen.«
Es fiel mir aber auch schon damals seine stark ausgebildete Eitelkeit und Egozentrik auf; wer ihn in dieser Richtung verletzte, musste mit seiner Rache rechnen.
Erhard Milch, damals Chef der Lufthansa
Überzeugt von Görings Nutzen, sah Hitler über dessen pompöses und eigenwilliges Auftreten hinweg. Görings Drogensucht war ihm kein Geheimnis. Am 21. Februar 1931 notierte Goebbels: »Göring ist Morphinist. Chef will ihn zur Rede stellen. Er macht die tollsten und ausgefallensten Sachen, fühlt sich abwechselnd als Reichskanzler und Wehrminister, kurzum, typischer Größenwahn. Er muss in eine Radikalkur. Heute macht er nur eine lächerliche Figur.« Doch die harsche Kritik, auf die Goebbels gehofft hatte, blieb aus. Stattdessen schenkte Hitler seinem Berliner Generalvertreter im Juli 1931 einen Luxuswagen. »Es ist ein großartiges Fahrzeug, das auf der letzten Automobilschau in Berlin ausgestellt war«, jubelte seine Frau Carin in einem Brief an ihre Mutter, »ein Mercedes, außen grau, innen mit rotem Leder, lang, elegant, schick!« Das Präsent bedeutete einen herben Schlag für den Berliner Gauleiter Goebbels, der Hitler seit langem vergeblich um einen Dienstwagen ersucht hatte. Doch auch er verschloss keineswegs die Augen vor den Verdiensten und Talenten des Rivalen. In Görings Wohnung war er häufiger Gast und bekam dort die Gelegenheit zu nützlichen Kontakten. Der Meister der Propaganda übersah nicht, wie gut Göring auf die Massen wirkte: Am 28. März 1931 notierte er »Sportpalast… Göring redet besonders gut. Nur seine Bitte an Hindenburg, uns zu empfangen, ist unangebracht. … Göring wird allmählich unerträglich. Der kranke Mann des Größenwahns.« Bis zum Ende ihres gemeinsamen Weges verband ihn mit Göring eine merkwürdige Hassliebe. Mal lobte er ihn in höchsten Tönen, mal verdammte er seine Faulheit. Eine Freundschaft zwischen ihnen war nicht möglich, zu sehr rivalisierten beide um Hitlers Gunst. Erbost notierte Goebbels am 8. Juni 1931: »Göring hetzt ununterbrochen gegen mich. Aus einer krankhaften Eifersucht heraus. Er kriecht Hitler förmlich in den Arsch. Wenn er nicht so dick wäre, würde ihm das wohl auch gelingen.« Dabei schien ihm nicht aufzufallen, dass er genau das Gleiche tat.
Oben: »Stellvertretender Papst«: Goebbels und Göring lassen sich im Oktober 1930 zur Eröffnungdes neuen Reichstags chauffieren
Unten: »Schulterschluss der Rechten«: Die Abordnung der NSDAP während der Gründung der »Harzburger Front« im Oktober 1931. In der ersten Reihe stehen u. a. Göring, Röhm und Himmler
Während Görings politischer Stern immer höher stieg, traf ihn ein schwerer persönlicher Schlag. Seit Jahren schon kränkelte seine Frau. Alle Kuren und sonstige medizinische Maßnahmen hatten nicht geholfen. Gegen den Rat der Ärzte bestand Carin darauf, zur Beerdigung ihrer Mutter, die am 25. September gestorben war, nach Stockholm zu reisen. Am Tag darauf brach sie in einem Stockholmer Hotel mit einem Herzanfall zusammen – der Arzt erklärte dem mitgereisten Hermann Göring, dass er an eine Gesundung nicht mehr glaube. Während Göring gemeinsam mit Carins Sohn Thomas von Kantzow im Hotelzimmer auf Carins Tod wartete,
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