Göring: Eine Karriere (German Edition)
halb verborgen, drängen sich Wilhelm Frick und Rudolf Heß, um einen Blick auf die unten vorbeiziehenden Massen zu erhaschen. Während Hitler den rechten Arm zum Gruß stramm durchstreckt, hält Göring ihn lässig zurückgeworfen mit der Handfläche nach oben – als sei die gerade errungene Macht schon etwas Selbstverständliches für ihn. Vom Balkon der Reichskanzlei hielt er kurz darauf eine Rede, die vom Rundfunk live übertragen wurde. »Der 30. Januar 1933«, rief er der Menge zu, »wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem sich die Nation ruhmreich erhebt, an dem eine neue Nation entsteht, die alle Sorge, alle Not, alle Erniedrigungen der letzten 14 Jahre überwindet. … Arbeit und Brot für unsere Volksgenossen und Freiheit und Ehre für die deutsche Nation.«
Was er unter der neuen ruhmreichen Zeit verstand, zeigte er schon in den nächsten Tagen. Als kommissarischem Innenminister Preußens unterstand ihm die stärkste Polizeitruppe im Reich – ein Machtmittel, dessen sich der joviale Paladin rücksichtslos bediente. In kürzester Zeit gelang es ihm, den Polizeiapparat in die Hand zu bekommen und dem Willen der Partei gefügig zu machen. Missliebige Beamte wurden kurzerhand in den Ruhestand versetzt oder kaltgestellt, die Polizeipräsidien mit hohen SA-Führern besetzt. Aus einem Instrument der Rechtsstaatlichkeit wurde fast über Nacht eine Waffe gegen politische Gegner, die Göring wirkungsvoll einsetzte. Ohne Skrupel blies er mit Blick auf die für den 5. März angesetzte Neuwahl zu einer gnadenlosen Hetzjagd auf politische Gegner wie Sozialdemokraten und Kommunisten. Noch am 30. Januar verfügte er ein erstes Demonstrationsverbot gegen die KPD, dem weitere Restriktionen folgten. Unbekümmert trat er den Rechtsstaat mit Füßen. Am 17. Februar erließ er den berüchtigten Schießbefehl, demzufolge die Polizei »gegen Gegner der Nationalen Front während des Wahlkampfes mit allen Mitteln der Gewalt ohne Rücksicht auf die Folgen des Schusswaffengebrauches« vorzugehen habe. »Jede Kugel, die jetzt aus dem Lauf einer Polizeipistole geht, ist meine Kugel. Wenn man das Mord nennt, dann habe ich gemordet. Das alles habe ich befohlen, ich decke das«, tönte er.
Mit der Rechtsstaatlichkeit fiel auch das Gewaltmonopol des Staates. Mitte Februar ernannte Göring in Preußen 50 000 SA-, SS- und »Stahlhelm«-Männer zu »Hilfspolizisten«. Ungehindert von der Polizei beziehungsweise Seite an Seite mit ihr konnten die Schlägertrupps der Nazis von nun an den Gegner terrorisieren. Der braune Mob kannte kein Halten mehr. Anerkennend notierte Goebbels in sein Tagebuch: »Göring räumt in Preußen auf mit einer herzerfrischenden Forschheit. Er hat das Zeug dazu, ganz radikale Sachen zu machen, und auch die Nerven, um einen harten Kampf durchzustehen.«
Um die Maßnahmen zu rechtfertigen, beschwor Göring im Chor mit Hitler und Goebbels unablässig die Gefahr eines kommunistischen Umsturzes. In Wahrheit war die Linke schwach und zerstritten. Die verfolgten Gegner agierten mit Parolen statt mit Gewalt. Dennoch klammerten sich Hitler, Goebbels und Göring wie besessen an die propagandistisch wirksame Vorstellung, die »Kommune« könne ihnen im letzten Moment die Macht aus den Händen schlagen. Fast schien es, als sollte sich diese Vision bewahrheiten, denn in der Nacht des 27. Februar 1933 schlugen Flammen aus der Kuppel des Reichstagsgebäudes. Wer hatte das Feuer gelegt? Der am Tatort festgenommene, später zum Tode verurteilte Kommunist Marinus van der Lubbe? Die KPD? Oder die Nationalsozialisten mit Göring an der Spitze? Den Reichstag und die Wohnung des Reichstagspräsidenten verband ein unterirdischer Gang. Veranlasste Göring den Brandanschlag, obwohl diesem etliche Erbstücke, an denen sein Herz hing, zum Opfer fielen?
Wir hatten die Listen der kommunistischen Funktionäre, die verhaftet werden sollten, vorher bereits zum großen Teil schon festgelegt. Es war völlig unabhängig vom Brande im Deutschen Reichstag.
Göring, Aussage in Nürnberg
Zwingende Hinweise auf die Identität der Täter fehlen bis heute. Entscheidend aber ist, dass Göring den brennenden Reichstag, das Symbol der Republik, zum Anlass nahm, die Hetzjagd auf Kommunisten und andere Gegner zu verschärfen. Er traf als Erster am Tatort ein, und er setzte als Erster die Parole vom Putsch der Linken in die Welt, um den Staatsstreich von rechts zu legitimieren. »Das ist der Beginn des kommunistischen Aufstandes!«, schrie
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