Göring: Eine Karriere (German Edition)
Göring gegen das Heulen der Sirenen den späteren Gestapochef Rudolf Diels am Tatort an. »Sie werden jetzt losschlagen! Es darf keine Minute versäumt werden.« Noch in derselben Nacht ergingen Befehle, über 4000 Funktionäre vor allem der KPD zu verhaften, ihre Büros zu schließen, ihre Presse zu verbieten und missliebige Schriftsteller wie Carl von Ossietzky in »Schutzhaft« zu nehmen. Schon bevor sich die Meldung vom Brand wie ein Lauffeuer im Reich verbreitete, lagen Görings schwarze Listen mit den Namen der Opfer bereit.
Bei der Kabinettssitzung am nächsten Morgen rechtfertigte Göring die Verhaftungswelle mit schamlosen Lügen: Der Anschlag sei eindeutig von der KPD ausgegangen, die, wie beschlagnahmte Geheimdokumente belegten, schon lange Terrorgruppen bilde. Insbesondere sei geplant worden, staatliche Gebäude anzustecken, öffentliche Küchen zu vergiften sowie Frauen und Kinder von Ministern als Geiseln zu verschleppen. Seine Anschuldigungen und Beweise waren frei aus der Luft gegriffen, doch sie erfüllten ihren Zweck. Auch die konservativen Minister im Kabinett stimmten für die Notverordnung, die Präsident Hindenburg noch am selben Tag »zum Schutz von Volk und Staat« erließ. Grundrechte wie jene auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, das Brief- und Postgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung wurden auf unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt. Das bereits zuvor erweiterte Instrument der »Schutzhaft« verlor seine letzten Einschränkungen. Die Polizei und ihre Helfer waren von nun an befugt, jeden Verdächtigen, wo er sich auch befand, auf unbefristete Zeit festzunehmen, ohne dass der Verhaftete Anspruch auf eine richterliche Überprüfung hatte. Ab sofort herrschte ein permanenter Ausnahmezustand.
Als Kettenhund der braunen Revolution verdiente sich Göring in diesen Wochen den Beinamen »Der Eiserne«. Vielen galt nun er und nicht Hitler als » der gefährliche Mann«, wie Finanzminister Krosigk in seinem Tagebuch notierte. Zur gleichen Zeit vergaß er nicht, seine Kontakte zur Wirtschaft auszuspielen, um Spenden für den teuren Wahlkampf zu sammeln. Am 20. Februar 1933 lud er als Reichstagspräsident 25 führende Vertreter der deutschen Wirtschaft, darunter Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Georg von Schnitzler von der I.G. Farben und Albert Vögler von den Vereinigten Stahlwerken, zu einem Empfang in seine Dienstvilla. Zur Überraschung der Geladenen, die einen Vortrag Hjalmar Schachts erwarteten, sprach Hitler persönlich zu ihnen, um für seine Politik zu werben. Die anstehende Wahl werde den Kommunismus in Deutschland besiegen helfen und zum Wohle der Wirtschaft die innere Ruhe herbeiführen, erklärte er den Anwesenden. Im Anschluss an die Ausführungen seines »Führers« leitete Göring geschickt zur Notwendigkeit über, dass hierfür andere, »nicht im politischen Kampf stehende Kreise wenigstens die nun mal erforderlichen finanziellen Opfer« bringen müssten. Unverfroren hielt er am Ende die Hand auf. Das erbetene Opfer werde der Industrie sicherlich umso leichter fallen, wenn sie wisse, dass die Wahl am 5. März sicherlich die letzte innerhalb zehn Jahren, voraussichtlich aber in hundert Jahren sei. Seine Worte fielen auf fruchtbaren Boden. Wunschgemäß zückten die anwesenden Industriekapitäne ihre Scheckbücher, um ihren Beitrag zum Ende der Demokratie in Deutschland zu leisten.
Trotz Propaganda und Terror ging die Reichstagswahl am 5. März 1933 für die Nazis enttäuschend aus. Mit 43,9 Prozent der Stimmen erreichte die NSDAP zwar den größten Wahlerfolg einer Partei in der Geschichte der Weimarer Republik, doch wurde das von Hitler gesteckte Ziel »absolute Mehrheit« klar verfehlt. Noch einmal brauchte er die Stimmen der konservativen Koalitionäre, um als Reichskanzler bestätigt zu werden. Doch inzwischen hatten seine Parteigänger, allen voran Göring, den Staatsapparat so weit in die Hand bekommen, um nach der alleinigen Macht zu greifen. Mit den Worten: »Weimar ist endgültig überwunden«, begrüßte Göring als alter und neuer Reichstagspräsident die Abgeordneten des neu gewählten Parlaments am 23. März zu ihrer ersten Sitzung, in der die Legislative sich selbst entmachtete. Nach dem Ausschluss von 81 kommunistischen Abgeordneten erreichten die neuen Machthaber durch massive Drohungen und vage Versprechungen, dass das Parlament mit Zweidrittelmehrheit das Ermächtigungsgesetz annahm, das der
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