Göring: Eine Karriere (German Edition)
jeden Morgen vorgelegt wurden, unterlagen hingegen strengster Geheimhaltung, deren Verletzung mit Todesstrafe bedroht war.
»Das Gesicht der braunen Revolution«: Röhm, Göring und Hitler im November 1933
Weshalb sind gestern Abend Unter den Linden alle Autofahrer geblendet worden? – Weil Hermann Göring vergessen hatte, auf dem Heimweg vom Büro seine Orden abzudecken.
Von Görings »Forschungsamt« abgehörter und aufgezeichneter Witz
Aus den »Forschungsberichten« wusste Göring, dass der Führer der SA, Ernst Röhm, Hitler zunehmend kritischer gegenüberstand. Röhm war enttäuscht von der Machtergreifung. Statt die Macht im Bündnis mit der alten Elite fast legal zu erschleichen, wie es Hitler gelungen war, hatte Röhm von einer Revolution mit Kanonen und Gewehren geträumt, die die alten Zöpfe hinwegfegte. In der von ihm geführten SA sah er den Kern eines deutschen Volksheers, in dem die kleine Berufsarmee Reichswehr einfach aufgehen sollte – mit ihm an der Spitze. Die brutalen Übergriffe der SA auf den Straßen der Republik, die Massenaufmärsche und die verbalen Ausfälle Röhms gegen die Militärs gefährdeten Hitlers fragiles Bündnis mit Reichswehr und Industrie. Noch war er sich seiner Position nicht sicher, hielt er es für möglich, dass konservative Kreise mit Hindenburg und der Reichswehr im Rücken ihm die gerade errungene Macht wieder entreißen könnten. Im Übrigen schien ihm die gewünschte schnelle Wiederaufrüstung ohne die Experten der Reichswehr schlichtweg nicht denkbar. Hitler befahl daher Röhm, sich mit den Militärs zu arrangieren. Während diese den Schutz der Nation nach außen zu garantieren hätten, sei es Aufgabe der SA, den Sieg der nationalsozialistischen Revolution im Inneren zu sichern, beschwor er Röhm. Widerwillig gab dieser sich kompromissbereit, doch die befohlene Versöhnung mit Kriegsminister von Blomberg blieb äußerlich. Im Kreis der SA-Führer, durch Alkohol enthemmt, tobte Röhm über die angebliche Treulosigkeit Hitlers und redete davon, diesen »mindestens auf Urlaub« zu schicken. Unbedachte Äußerungen wie diese fanden ihren Weg zu Hitler; doch dieser zögerte vorerst, gegen seinen Duzfreund Röhm vorzugehen.
Während Hitler abwartete, formte sich hinter den Kulissen eine mächtige Fronde gegen Röhm. An ihrer Spitze standen neben Göring der »Reichsführer-SS« Heinrich Himmler und Propagandaminister Joseph Goebbels. Sonst erbitterte Rivalen im Kampf um die Gunst des »Führers«, verbündeten sie sich gegen den mächtigen SA-Chef, von dessen Fall sie gemeinsam zu profitieren hofften. Um den Bund mit Himmler zu schmieden, überließ Göring ihm und seiner SS sogar die von ihm gegründete Gestapo, die er bislang eifersüchtig als Machtinstrument gehütet hatte. Sein »Forschungsamt« wies er an, belastendes Material gegen Röhm zu sammeln, das er Hitler vorlegte. Insgeheim erstellten er und Himmler »schwarze Listen«, die die Namen von Personen enthielten, die ihnen aus dem einen oder anderen Grund als »unerwünscht« oder »gefährlich« galten.
Ohne Ahnung von der Schlinge, die sich allmählich zuzog, entließ Röhm die SA in den Sommerurlaub und fuhr mit einigen Getreuen zur Erholung nach Bad Wiessee. An die Öffentlichkeit gelangte nur wenig über die innere Krise in der NS-Führung, die sich nun zuspitzte. Am 19. Juni 1934, einen Tag vor Carins »Beerdigung«, nahm Göring in einer Rede vor dem preußischen Staatsrat in Potsdam öffentlich Stellung gegen Röhm, ohne dessen Namen zu nennen: »Nicht an uns liegt es festzustellen, ob eine zweite Revolution notwendig ist. Die erste Revolution war vom Führer befohlen und ist vom Führer beendet worden: Wünscht der Führer die zweite Revolution, dann stehen wir, wenn er es wünscht, morgen auf der Straße; wünscht er sie nicht, dann werden wir jeden unterdrücken, der gegen den Willen des Führers eine solche machen will.«
»Ruhe vor dem Sturm«: Göring besucht am 24. Juni 1934 das Dinkelsbühler Stadtfest, die »Kinderzeche«
Während Göring im Hintergrund das Netz spann, in dem sich sein Rivale verfangen sollte, wahrte er nach außen hin den harmlosen Schein. Sein privates Fotoalbum, das heute in der Library of Congress in Washington verwahrt wird, enthält Aufnahmen aus diesen Tagen. Eine von ihnen, datiert auf den 24. Juni, zeigt Göring auf einem Kinderfest im fränkischen Dinkelsbühl. Zwei Tage später gönnte er sich einen Kurzurlaub auf Sylt, wo Emmy ein Sommerhaus
Weitere Kostenlose Bücher