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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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gingen leer aus. Erst nach dem Krieg erhoben sie Anspruch auf das Schloss und erhielten es tatsächlich vor Gericht zugesprochen, da Göring es versäumt hatte, seine Neuerwerbung ins Grundbuch eintragen zu lassen.
    In diesen Monaten schien es, als könne ihm nichts misslingen, als habe er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und seine Seele für den Erfolg verkauft. Kurz nach der Rückkehr von der zweiten Rundreise in Österreich durfte er sich in einer neuen Rolle sonnen. Mit 45 Jahren wurde der Feldmarschall zum ersten Mal Vater. Zur Verblüffung vieler, die an Nachkommen nicht mehr geglaubt hatten, brachte seine gleichaltrige Frau Emmy am 2. Juni 1938 eine Tochter zur Welt. Nach Mussolinis Tochter wurde sie Edda genannt, und Hitler übernahm die Patenschaft. An spöttelnden Bemerkungen über den Neuzugang in der Familie Göring änderte das freilich nichts. Wofür, juxte der Volksmund, steht EDDA? Antwort: E wiger D ank D em A djutanten. Und der Kabarettist Werner Finck meinte, das Kind müsste eigentlich Hamlet heißen: »sein« oder »nicht sein«. Göring nahm ihm das übel, Finck kam ins KZ. Der Feldmarschall fühlte sich getroffen, denn er selbst hatte sich seit der Schussverletzung beim Hitlerputsch 1923 für unfruchtbar gehalten – ein Irrtum, wie der amerikanische Urologe Dr. Lattimer glaubt, der Göring nach der Gefangennahme untersuchte: »Er hatte eine große Schussnarbe, die tief und schwulstartig war«, erinnert sich Dr. Lattimer noch heute. »Sie war ziemlich beeindruckend, denn niemand hatte die Wunde genäht. Sie hatten sie nur verbunden und dann von den Seiten her heilen lassen, daher war die Narbe so groß und tief. Aber ansonsten war, soweit ich als Urologe sehen konnte, alles in Ordnung mit ihm. Er konnte Sex haben und Kinder auf normalem Wege zeugen. Es war nicht die Verletzung, sondern das Morphium, das ihn jahrelang unfruchtbar machte. Wenn man Morphium dauerhaft injiziert, dringt es nach einer Weile in die Hoden ein und tötet den Samen ab. Aber sobald er das Morphium absetzte, konnte er binnen eines Monats oder etwas länger wieder zeugungsfähig sein.« Die Geburt einer Tochter ist somit ein Indiz, dass Göring seine Sucht in dieser Zeit im Griff hatte. Anstelle von Morphium berauschte er sich jetzt an Macht und Luxus. Er war auf dem Gipfel seiner Karriere und seines Ansehens.

     
    »Sein« oder »nicht sein?«: Die Taufe von Görings Tochter Edda am 4. November 1938 wurde im großen Stil inszeniert – mit Hitler als Taufpate
     
    In ebendiesem Zeitraum, in dem Göring offenbar von Triumph zu Triumph eilte, setzte, zunächst unmerklich, bereits der Niedergang ein – ein »Abstieg im Zeichen des Erfolges«, wie es der Historiker Steffen Martens formulierte. Erstmals traten Differenzen zwischen ihm und Hitler zutage, die zu einer wachsenden Entfremdung zwischen dem ersten und dem zweiten Mann des »Dritten Reichs« führten. Auslöser war die Sudetenkrise. Wie in der Novemberkonferenz von 1937 angekündigt, wandte sich Hitler unmittelbar nach der Einvernahme Österreichs seinem nächsten Ziel zu. Am 20. April 1938 befahl er dem OKW »generalstabsmäßige Vorarbeiten« für einen Angriff auf die Tschechoslowakei: Das Problem müsse einmal gelöst werden, nicht nur wegen der unterdrückten Sudetendeutschen, sondern mehr noch wegen der kommenden Auseinandersetzung im Osten, bei der die Tschechoslowakei russische Absprungbasis sei und tschechische Truppen rasch im Reich stünden. Er wolle, betonte Hitler, nicht sogleich einen Krieg entfachen, es sei denn, eine besonders günstige Konstellation trete ein. Dann allerdings wolle er unverzüglich losschlagen können.
    Als der Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, von diesen Plänen erfuhr, war er entsetzt. Noch war in seinen Augen die eilig aufgebaute Wehrmacht viel zu schwach, um es mit der Tschechoslowakei aufzunehmen, wenn diese von Frankreich und womöglich noch von England unterstützt wurde. Im Unterschied zum »Anschluss« Österreichs neigte auch Göring in dieser Frage zur Vorsicht. Zwar wusste er aus den geplünderten Archiven der österreichischen Botschaften in Berlin, Prag, Paris und London und den Abhörprotokollen seines »Forschungsamts«, wie sehr England und Frankreich einen Krieg fürchteten. Aber ihm lagen auch Memoranden aus der eigenen Luftwaffe und Wirtschaft vor, denen zufolge das Reich für einen Krieg gegen England nicht ausreichend gerüstet sei. Er setzte daher darauf, die Sudetenfrage mit ähnlichen

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