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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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drei Tagen sollt ihr wieder zu euch kommen – schlaft, ihr Go lems, schlaft ein!«
    Der Großmächtige Meister wurde bleich. Seine Golems begannen zu taumeln und zu torkeln. »Ammanth, Ammanth«, schrie er, doch es half überhaupt nichts. Noch ehe sie sich gänzlich aufgerichtet hatten, sackten die Golems wieder in sich zusammen. Genau gleichzeitig knickten sie alle sechs in den Beinen ein, fielen auf ihre Knie und mit sechsfachem Dröhnen zur Seite hin um.
    »Ich … ich …«, stammelte Meister Justus, »ich bin euer Herr!« Er lief von einem Golem zum anderen, rüttelte an Schultern so groß wie Kanonenkugeln und an Armen vom Umfang fünfzigjähriger Eichen. »Ich befehle euch«, schrie er, »steht auf!«
    Doch die Golems zeigten keinerlei Regung mehr. Wie gemeißelte Steinfiguren lagen sie vor dem Drachenmaul im Kreis.
    »Und ich befehle dir und deinen Speichelleckern, Jus tus – verlasst auf der Stelle diesen Ort!« Die Eulen in Barixas Augenhöhlen bewegten ruckartig ihre Köpfe hin und her, die Füchse in ihrem Rachen spien schaumigen Schleim. »Einen Bann will ich über das ganze Hexenholz legen«, rief sie, »damit du und deinesgleichen niemals mehr diesen Ort entweihen könnt – bis zu dem Tag in 333 Jahren und drei und drei und drei Tagen, wenn deine Ungeheuer wieder erwachen.«
    Abermals begann sie einen Zwingspruch jenseits aller Worte zu summen und zu zischen, zu quaken und zu wimmern, zu brausen und zu tosen. Und da erhob sich ein gewaltiger Sturm und fuhr dem Großmächtigen Meister und seinen Lichtträgern in die Gewänder und schoss sie in einem Wirbel aus Laub und Wind und Lehmstaub hoch in die Lüfte empor.
    Auch der Famulus spürte voll Entsetzen, wie ihm der Sturmwind die Kleider bauschte. Schon hob es ihm die Sohlen vom Boden, wie verzweifelt er sich auch mit den bloßen Fingern in die Erde zu krallen versuchte. Der Wind füllte ihm Hemd und Hosenbeine, ließ ihn leicht wie ein Segel, wie Herbstlaub, wie eine Vogelfeder werden. Schon hob es ihn mit den Füßen voran in die Höhe – kopfüber stand er auf seinen Händen am Rand des He xen hügels, an nichts Festeres mehr als die lehmige Erde ge krallt. Im nächsten Augenblick lösten sich die Lehmbrocken, die er mit seinen Fingern umklammert hielt, aus dem Boden – und Julian flog, dabei sich in der Luft überkugelnd, hoch und höher, brach durch die Wipfel und wirbelte in den Nachthimmel empor.
    Hoch über sich erblickte er den Großmächtigen Meister und seine Lichtträger, die mit wehenden Umhängen den Wolken entgegenflogen. »Auch du, Barixa«, hörte er Justus schreien, »und deine Brut von Schlangen- und Eu lenweibern sollt aus diesem Wald verbannt sein. Niemand mehr, ob Magier, Hexe oder gewöhnlicher Mensch, soll fortan zum Drachenberg und den schlafenden Golems gelangen – bis zu dem Tag, da meine Kreaturen wiederauferstehen!«
    Julian richtete seinen Blick erdwärts: Tief unter ihm wurden soeben die Meisterin Barixa, ihre Gehilfin Sylvenia und zwei Dutzend weitere Hexenweiber aus dem Wald emporgewirbelt, und ihre Flüche und Verwünschungen schallten wie tausendfaches Katzenfauchen, Eulenheulen, Fuchsgewinsel zu ihm herauf.
    Der Famulus aber, der selbst in der größten Verwirrung meist einen Rest an Kaltblütigkeit bewahrte, fischte im Fliegen mit Fingerknöcheln und Zähnen seinen Brustbeutel unter dem windgewölbten Wams hervor. Er zerrte an der Öffnung, bis sie ihm weit genug schien, und wunderte sich flüchtig über das sonderbare Muschelding, das er darin aufbewahrte. Dann ließ er die beiden Lehmbatzen, die seine Hände noch immer umklammert hielten, in den Beutel gleiten und zog den Verschlussriemen sorgsam wieder zu.
    Unterdessen war er in hohem Bogen über den Wald hinweggetragen worden und begann bereits wieder dem Erdboden entgegenzusinken. Noch während er sich fragte, wie er eine halbwegs sanfte Landung hinbekommen könnte, erblickte er genau unter sich einen leuchtend gelben Fleck zwischen den dunklen Silhouetten der Häuser am Rand von Croplin.
    House = Head, jubilierte seine innere Stimme, und der Famulus fragte sich verwundert, was diese Silben bedeuten sollten, ja, in was für einer Sprache sein Gewissen sich neuerdings ausdrückte.
    Nur wenige Augenblicke später saß er im Vorgarten von Balthasar Müntzer, inmitten der wuchernden Son nen blumen. Mit der Rechten hielt er eines der leuchtend gel ben Gewächse am Stiel umklammert, und für einen ganz kurzen Moment – wie manchmal, wenn man gerade aus einem

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