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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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hatte es kaum gedacht, als er spürte, wie rasend gern er gerade jetzt mit ihr reden würde. Sie in den Arm nehmen, ihr alles erzählen, was passiert war und was ihm im Kopf herumjagte. Wenn er vielleicht doch noch eine winzigkleine Chance hatte, die Golem-Katastrophe zu verhindern, dann nur mit ihr. Das fühlte er gerade in diesem Moment so deutlich, wie er niemals vorher irgendetwas empfunden hatte. Mit Billa oder gar nicht.
    »Hi, Mutter.«
    »Hey, da bist du ja endlich!« Linda klang so aufgeregt, als ob er seit mehreren Wochen verschollen gewesen wäre. »Wo treibst du dich nur die ganze Zeit herum, Junge?«
    »In Onkel Marthelms Bibliothek. Du willst doch immer, dass ich mehr Bücher lese.«
    »Urgroßonkel«, rief Linda. »Marthelm war dein Urgroßonkel – was ist nur mit dir los, Marian? Du klingst so … so …«
    »Wie denn?«
    »Als ob du in Gedanken ganz woanders wärst – hunderte Kilometer weit weg.«
    »Könnte hinkommen. Zumindest das mit den Hunderten stimmt.«
    »Und was soll das schon wieder heißen? Warum re dest du so seltsames Zeug?«
    »So halt.«
    Sie schnaufte so laut, als ob sie gleich die Selbstkontrolle verlieren würde. »Wo bist du jetzt eigentlich?«, fragte sie dann betont ruhig. »Was hältst du davon, wenn wir uns hier im Hotel noch eine Stunde oder so zusammensetzen und ein bisschen miteinander reden?«
    Jetzt war es Marian, der erst mal tief Luft holen musste. Er wollte Linda ja nicht vor den Kopf stoßen oder so was, aber er hatte wirklich keine Zeit, um mit ihr über irgendwelches Urlaubszeug zu quatschen. Wäh rend der Countdown zur Golem-Katastrophe längst begonnen hatte.
    Achtung, Achtung, meine Damen und Herren, heute in neun Tagen werden sechs unbesiegbare Monster diese Erde in einen Ort ungeheuerlicher Schrecken verwandeln. Bitte bewahren Sie Ruhe. Rettung ist unmöglich. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
    »Marian, bist du noch da?«
    »Besser, du wartest nicht auf mich, Mutter«, sagte er.
    »Ich hab noch was zu erledigen. Aber ich beeil mich, versprochen.«
    Er beendete das Gespräch, ohne ihre Antwort abzuwarten. Dann warf er sein Nokia in die Luft und fing es wieder auf. Er öffnete seine Kontaktliste und klickte auf »Billa«.
    Sie meldete sich so schnell, als ob sie ihr brombeerrotes Samsung schon in der Hand gehalten hätte. »Hey«, fing sie an, doch er fiel ihr sofort ins Wort.
    »Tut mir total leid, Billa, dass ich einfach so weggerannt bin. Können wir reden – jetzt gleich?«
    »Mann, Marian«, sagte sie, und ihre Stimme klang wieder so kratzig, dass ihm Schauer über den Rücken jagten. »Klar können wir reden – kommst du zu mir?«
    »Besser nicht – ich meine nur«, fügte er hastig hinzu, »wegen Klotha und den anderen. Was hältst du vom Jagdschloss?«
    »Wow, du bist ja ein Romantiker.« Er hörte an ihrem Tonfall, dass sie grinste. »Sagen wir – am Alten Stadttor? Ich hol dich da in ein paar Minuten mit der Kalesche ab.«
    »Okay. Nur ’ ne Kleinigkeit noch: Kannst du mir …« Er biss sich auf die Unterlippe. Das würde jetzt wirklich ziemlich kitschig rüberkommen.
    »Kann ich dir was?«, fragte Billa.
    Er gab sich einen Ruck. »Bringst du mir ein Foto von dir mit?«
    »Hey, Sweetheart …«
    »Versteh mich nicht falsch – ich meine ein Foto von Laura.«
    Durch das Handy hörte er ganz deutlich, wie sie schluckte. »Mann, Marian«, sagte sie nach einer kurzen Pause, »spiel keine beschissenen Spiele mit mir, verstehst du?« Ihre Stimme klang wieder wie Rost – so wie gestern Abend, als er ihr auf den Kopf zugesagt hatte, dass sie im Hexenholz gewesen war. »Ich bring dir das blöde Foto mit – aber nenn mich nie wieder … nie mehr so, wie du mich eben genannt hast.«
    »Bis gleich also, am Stadttor«, sagte er und legte heute schon zum zweiten Mal ohne sich zu verabschieden auf.

49

    Das alte Stadttor war sogar schon zu Julian Hallthaus Zeiten ein paar Hundert Jahre alt gewesen. 1 343 A.D . stand in den steinernen Torbogen gemeißelt. Darüber erhob sich ein Turm mit schmalen Wehrluken und einer Art steinernem Ausguss – einer Pechnase. Im Ge schichts unterricht hatte Frau Kürschner ihnen anschaulich er zählt, wie die Bewohner einer mittelalterlichen Burg oder Stadt sich im Kriegsfall verteidigt hatten: Sie hatten die Angreifer mit Hagelschauern von Steinen, Speeren und Armbrustpfeilen empfangen. Waren die Feinde trotzdem bis zu den Toren vorgedrungen, so schüttete man ko chend heißes Pech durch solche Pechnasen. Wer von dem

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