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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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auf Rosen gebettet.«
    Sie trank ihre Kaffeetasse fast in einem Zug aus und schenkte sich sofort wieder von der schwarzen Brühe nach. »Ich hatte so sehr gehofft«, fuhr sie fort, »dass Marthelm uns wenigstens ein paar Scheinchen für dein Studium vererbt. Wie sollen wir das denn sonst finanzieren? Mit den Almosen, die sie mir im Reisebüro aus reiner Gnade bezahlen, bestimmt nicht. Und von deinem liebenswerten Künstler-Daddy haben wir seit mindestens einem halben Jahr keinen müden Cent mehr gesehen.«
    Vor Ärger über ihren Ex vergaß sie, ihre Stimme zu dämpfen. »Du kannst ja schließlich nichts dafür, dass dein Vater und dein Großvater mit Marthelm zerstritten waren. Und ich kann und werde nicht einfach so hinnehmen, dass wir zwei die Zeche für diese alte Familienfehde zahlen sollen.«
    Mittlerweile redete sie so laut, dass einige Hegendahls an den hinteren Tischen zu ihnen herübersahen. »Bitte, Mutter«, sagte Marian, »stell das Dolby Surround aus.«
    »Nur wenn du mich anschaust!«, rief sie noch schallender.
    Marian warf seine Haare über die Schulter zurück. »Mach ich ja schon.«
    Verblüfft sah sie ihm ins Gesicht. »Was ist denn mit dir los, Junge? Warum strahlst du denn, als ob du im Lotto gewonnen hättest?«
    »So halt.«
    Wenn seine Mutter mit den Freimaurern redete, musste er unbedingt dabei sein. Eine bessere Gelegenheit, um mit den Brüdern Bekanntschaft zu schließen, konnte er gar nicht bekommen – jedenfalls, wenn Linda sich zusammenriss und diesen Dr. Godobert nicht gleich wieder als Erbschleicher oder Ähnliches beschimpfte.
    Seine Müdigkeit war wie weggeblasen. Dafür spürte er plötzlich, wie ausgehungert er war. Wegen seiner blöden Verwandten hatte er gestern beim Leichenschmaus kaum einen Bissen runterbekommen. »Leichenschmaus«, was für ein Wort, dachte Marian, während er sich am Büffet seinen Teller mit Rührei, Bratfisch und Toastscheiben vollhäufte.
    Dann allerdings fiel ihm ein, dass seine Mutter von Marthelms Brief überhaupt nichts wusste und auch keinesfalls davon erfahren durfte. Wenn sich der Logenmeister also irgendwie versprechen und versehentlich auf den Brief anspielen würde, den er selbst ja überbracht hatte – wie stünde er, Marian, dann vor Linda da? Stunde um Stunde hatte er kommentarlos mit angehört, wie sie über Marthelm und die Freimaurer herzog, weil die ihnen nichts vermacht hatten – und dabei hatte er als Einziger etwas von seinem Urgroßonkel geerbt! Wenn auch nur etwas sehr Seltsames, das ihnen ja bestimmt nicht aus ihrer Geldklemme helfen konnte.
    Oder vielleicht doch? Auf halbem Weg zwischen dem Büffet und ihrem Tisch blieb Marian stehen, den dampfenden Teller in der Hand. Was hatte Marthelm geschrieben? Die Geheimnisse des künstlichen Goldes sollte er erfahren, wenn er den »Pfad« beschritt. Was für einen Pfad? Von den Alchimisten des Mittelalters hieß es, dass sie in ihren Laboren künstliches Gold herstellen konnten – und einige der berühmtesten Alchimisten und Magier jener Zeit waren Freimaurer gewesen.
    Marian bemerkte, dass er von allen Seiten angestarrt wurde, und setzte sich wieder in Bewegung. Also hatte Marthelm ihn gar nicht – wie den Rest der »Hegendahl’schen Brut« – leer ausgehen lassen, sondern ihm im Gegenteil den Schlüssel zu unermesslichen Reichtümern vererbt? Wenn das stimmte, dann musste das Talmibro dieser Schlüssel sein.
    Also schön, dachte Marian. Gleich nach dem Frühstück würde er sich das »machtvolle magische Instrument«, wie Marthelm es genannt hatte, noch einmal näher ansehen. Er setzte seinen Teller ab und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Eben wollte er sich über sein Frühstück hermachen, als irgendetwas seinen Blick zur weit geöffneten Gaststubentür zog.
    Im Türrahmen stand das Mädchen von gestern. Sie trug Stiefel wie ein Cowgirl im Western – kniehoch und schlammverschmiert. Die Haarmähne mit dem kupfernen Schimmer hatte sie zu einer Art Vogelnest aufgetürmt. Das Blau ihrer Augen versengte sein Gesicht. Oder warum sonst wurde ihm auf einmal so heiß?
    Linda sah ihn wieder verwundert an, dann drehte sie sich um und folgte seinem Blick. »Ach so – jetzt versteh ich!«
    »Gar nix verstehst du, Mutter.«

10

    Der Notar, der Marthelm Hegendahls Letzten Willen beurkundet hatte, hieß Dr. Elias Teuschow. Seine Adresse war auf den Kopien des Testaments vermerkt, die gestern von den beschwingten Logenbrüdern an die Trauergäste verteilt worden waren: Sterngasse 7,

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