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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Croplin.
    »Das ist ganz in der Nähe«, erklärte ihnen der Wirt des »Moorgrafen«. Er war ein stämmiger Mann fortgeschrittenen Alters, dessen bleigraue Augenbrauen wulstig wie Tausendfüßler und über der Nase zusammengewachsen waren. »Gehen Sie einfach über den Kirchplatz und ein Stück die Herrengasse runter. Die Sterngasse zweigt nach ein paar Schritten linker Hand ab.«
    Marian schaute seine Mutter skeptisch an. Es klang ungefähr wie die Wegbeschreibung, mit der sie vorgestern von Hanno Bußnitz, dem »Wanderer«, in die Irre geführt worden waren. Aber Linda schien keine Bedenken zu haben. Sie bedankte sich beim Wirt und steuerte zielstrebig auf den Ausgang zu. »Kommst du, Marian?«
    »Kannst du da nicht alleine hingehen?« Viel lieber wäre er jetzt wieder in sein Zimmer hinauf, um sich mit dem Talmibro vertraut zu machen.
    »Es geht schließlich um dein Studium«, beharrte Linda. »Um das Herz dieses Paragrafenreiters zu erweichen, müssen Mutter und Halbwaise schon gemeinsam ihr Klagelied singen.«
    »Halbwaise, pff«, machte Marian. Es war nicht fair gegenüber Daddy Chris, der ja schließlich noch unter den Lebenden weilte – und wie. Allerdings verhielt sich auch sein Vater nicht gerade aufopfernd, da hatte Linda recht: Christian war ihnen seit Ewigkeiten den Unterhalt schuldig. Er besaß zwar noch viel weniger Geld als sie, aber er unternahm auch keinerlei Anstrengungen, um an dieser Misere irgendwas zu ändern. Stattdessen lag oder saß er den lieben langen Tag auf seinem Bootsdeck, ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen und filmte höchstens ein paar Schattenspiele auf der Oberfläche des Sees. »Kunst braucht Muße«, verkündete er ungerührt, wenn Linda sich wieder mal bei ihm beschwerte. Dann legte er eine Stones-CD ein, setzte seine Kopfhörer auf, lehnte sich mit einem relaxten Grinsen zurück und schloss die Augen.
    »Also los jetzt«, sagte Linda. »Und anschließend knöpfen wir uns diesen Logenmeister vor.«
    Das gefiel Marian schon sehr viel besser. Bereitwillig folgte er seiner Mutter hinaus auf den Kirchplatz. Die neue Woche hatte längst begonnen, es war halb elf Uhr vormittags. Doch der kleine Platz zwischen den krummbuckligen Fachwerkhäusern und der verwitterten Sandsteinkirche lag genauso leer und verloren wie am Sonntag da.
    Auch von dem Mädchen mit den brennend blauen Augen war nichts mehr zu sehen. Dabei hatte sie kurz vor ihnen den Gasthof verlassen – sie hatte Marian von der Türschwelle aus angestarrt, sich dann ohne ein Wort wieder umgewandt und war davongelaufen.
    Seltsam, so wie eigentlich alles hier, dachte er. Eine Geisterstadt unter gelblichen Geisternebeln, mitten im Moor gelegen, aus dem bei Tag und Nacht das Geheul dieser Steinzeitgeister aufsteigt. Das Mädchen allerdings war alles andere als ein Gespenst – wann immer Marian an sie dachte, spürte er ein äußerst angenehmes Kribbeln im Bauch.
    Gedankenverloren trottete er neben Linda über den sonnenheißen Platz. In der Mitte stand ein mittelalterlich wirkender Brunnen mit hohem Mauersims. Darauf lag eine Katze, rot-weiß getigert – dieselbe vielleicht wie gestern im Hinterhof. Marian streckte die Hand nach ihr aus, da machte sie einen Buckel und stieß ein drohendes Fauchen aus. Ihre giftig grünen Augen starrten ihn an, und für einen Moment kam es ihm vor, als ob sie sich blau verfärbten.
    Das konnte natürlich nicht sein. Nicht in der Wirklichkeit – höchstens in einem dieser total verblüffenden Verwandlungsvideos von Daddy Chris. Eines hieß House = Head: Es begann mit einer langen Kamerafahrt auf eine altertümliche Hausfassade. Je näher die Kamera dem Haus kam, desto mehr sah es aus wie ein staunendes Gesicht mit großen Augen und halb offenem Mund. Die Kamera fuhr in das linke Auge hinein und zoomte auf einen Sessel. Der aber sah wie ein Blütenkelch mit langem Stängel aus oder wie ein Blutgefäß, das sich an seinem oberen Ende zu einer Hand aus Adern auffächerte. Man setzte sich darauf und wurde in den Stängel oder das Blutgefäß hineingesogen – oder einfach in das Rohr, auf dem die Sesselschale befestigt war.
    So ging es noch eine Weile weiter, bis man überhaupt nicht mehr wusste, was es in dieser Filmwelt mit den Dingen auf sich hatte. Zuletzt hing man an einem Fallschirm, und während man aus großer Höhe abwärtsschwebte, verwandelte sich der Fallschirm in eine Sonnenblume. Nun stürzte man mit halsbrecherischem Tempo in die Tie fe – allerdings ging die Sache gut aus:

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