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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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In der Schlusseinstellung segelte ein Junge gemächlich von den Wolken zur Erde nieder, indem er sich einfach an der Sonnenblu me festhielt – und das Ganze war ein Gemälde, auf diesel be Hausfassade gemalt, mit der das Video angefangen hatte.
    »Kindskopf«, hatte Linda zu Daddy Chris gesagt, nachdem der ihnen das Video vorgeführt hatte. Aber ihre Stimme hatte liebevoll, beinahe bewundernd geklungen. Nicht lange danach, im letzten Herbst, hatte Christian Hegendahl einen hoch angesehenen Kurzfilmpreis für House = Head bekommen . Das Preisgeld, ein paar tausend Euro, hatte allerdings nicht mal ausgereicht, um seine zu schwindelerregender Höhe aufgelaufenen Mietschulden zu begleichen. Mit Mühe hatte er seinen Vermieter bis zum Frühjahr hingehalten und war dann ins Bootshaus umgezogen. So viel zu Daddy Chris.
    »Na also«, sagte Linda, »hier ist es ja.« Sie trat vor ein Schild, das von innen an einer gläsernen Haustür befestigt war. »So ein Mist«, sagte sie kurz darauf.
    Marian schaute sich um. Er war so tief in Gedanken gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, wie sie vom Brunnen mit der Katze bis hierher gelangt waren. Jetzt jedenfalls standen sie vor einem stattlichen Fachwerkhaus. Dessen Obergeschoss war breiter als der steinerne Sockel und ragte weit in die schmale Gasse hinein. »Was denn?«, fragte er und stellte sich neben Linda, die immer noch auf das handgemalte Schild starrte.
    »Kanzlei Dr. Elias Teuschow«, las sie vor, »wir machen Sommerurlaub – vom 10. 8. bis 4. 9. geschlossen.« Linda klappte ihre Handtasche auf und wühlte darin herum. »Tja, gleich zwei Wochen wollte ich eigentlich nicht in diesem Nest bleiben.« Sie zog ihren winzigen Taschenkalender hervor. »Oder was meinst du, Ma ria n?«
    Er zuckte mit den Schultern. Die Sommerferien dauerten noch bis Mitte September. Und zufällig gab es im Moment auf dem ganzen Planeten keinen Ort, an dem er sich lieber aufgehalten hätte als in diesem seltsamen Städtchen Croplin. Aber das konnte er Linda natürlich nicht sagen. Sie würde sonst wieder nur so ein halb kitschiges, halb ironisches Gesicht machen und »Ich verstehe« sagen oder »Wie heißt sie eigentlich?«.
    Ja, wie hieß sie überhaupt? Er hatte noch kein Wort mit ihr gewechselt und dachte doch alle paar Minuten an sie. Ihre Augen, ihr Lächeln, ihr Haar.
    » Na ja«, brummte er, »warum nicht?«
    Linda schien mit so einer Antwort gerechnet zu haben. Jedenfalls nickte sie bloß stumm, zog den streichholzdünnen Bleistift aus ihrem Taschenkalender hervor und kritzelte irgendwas auf eine freie Seite. Als sie fertig war, riss sie das Blatt heraus und warf es in den Briefkasten der Kanzlei. »Ich hab ihnen meine Handynummer aufgeschrieben und um einen Termin für den 7. September gebeten. Das ist genau heute in zwei Wochen.« Sie verstaute den Kalender wieder in ihrer Tasche. »Hey, Marian, wir haben Ferien!« Sie strahlte ihn an. »Vielleicht gibt es in der Nähe irgendwelche Badeseen. Wir lassen unser Auto flott machen – und dann …« Sie unterbrach sich und sah ihn erschrocken an. »Was ist denn los mit dir, Junge? Du guckst, als hättest du einen Geist gesehen.«
    Eher schon eine ganze Geister-Galaxie. Unauffällig lehnte er sich gegen den Steinsockel des Teuschow-Hauses. Er hatte ein Sausen im Kopf, als ob ihn gerade jemand in den Schwitzkasten genommen hätte.
    Mit einem Schlag war ihm klar geworden, wie wenig Zeit nur noch übrig blieb, um die Katastrophe zu verhindern, die ihnen laut Marthelm bevorstand – am 9. September, wie es im Brief des Urgroßonkels hieß. Wenn es bis zum 7. September noch zwei Wochen waren, dann würde sich also in genau 16 Tagen »diese Erde in einen Ort der ungeheuerlichsten Schrecknisse verwandeln« – es sei denn, er, Marian Hegendahl, verhinderte das Erwachen der »frevlerisch erschaffenen G*L*M«.
    Fragte sich nur, wer oder was diese Ungeheuer überhaupt sein sollten. Und wie man sie davon abhielt, das zu tun, was der Fluch ihnen anscheinend auferlegte.
    Linda sah ihn immer noch argwöhnisch an. »Schon gut«, gelang es ihm zu murmeln.
    »Du bist eben ein feinfühliger Junge«, sagte seine Mutter, »auch wenn du noch so cool und hartgesotten tust. Die Beerdigung hat dir zugesetzt.« Sie hob die Hand, um ihm übers Haar zu streichen oder sonst etwas Unpassendes zu tun, ließ den Arm aber glücklicherweise wieder fallen. »Bevor wir uns einen schönen Badesee suchen«, fuhr sie fort, »gehen wir noch rasch bei diesen Maurerbrüdern

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