Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
Vom Netzwerk:
rauszukriegen, aber sie sagen im Prinzip dasselbe wie du eben: Vor über dreihundert Jahren ist irgendwas im Hegendahl’schen Gutshaus passiert – dort und dahinter im Wald. Es hatte mit Magie und der Erschaffung von Golems zu tun. Irgendwas ist damals schiefgelaufen und der Wald ist seit damals so … so …« Sie blieb stehen und schluckte krampfhaft. »… so verhext eben, und angeblich soll 333 Jahre später hier wieder irgendwas passieren – mit dem Wald, mit den Golems, was weiß ich.«
    Sie hatte jetzt wahrhaftig Tränen in den Augen. Marian hätte sie am liebsten in den Arm genommen und hingebungsvoll getröstet. Aber er stand stocksteif vor ihr, als ob er selbst zu einem Baum im Hexenholz verwunschen worden wäre.
    »Nach 333 Jahren, das stimmt«, sagte er. »Und laut meinem Urgroßonkel sind die in zwei Wochen um – am 9.9.«
    Sie nickte stumm und heftig. Die Tränen sprudelten ihr nur so aus den Augen. Marian hatte sich noch nie in seinem Leben so hilflos gefühlt, so unbeholfen. Was sollte er jetzt machen? In alten Filmen reichten die Helden ihrer Dame in solchen Situationen ein blütenweißes Stofftaschentuch – aber das Tempo in seiner Hosentasche hatte seine besten Zeiten längst hinter sich. Oder der Film-Gentleman küsste ihr die Tränen aus den Augenwinkeln und ließ dazu irgendeinen weltmännischen Spruch ab, aber das passte hier ja wohl erst recht nicht. Schon deshalb, weil ihm überhaupt keine Sprüche einfielen.
    Billa wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und ging weiter. Seine Hand hatte sie losgelassen, und er trottete hinter ihr her und fragte sich, ob sie ihn jetzt für einen gefühllosen Klotz hielt. »Was ist denn?«, brachte er endlich hervor. »Warum weinst du denn die ganze Zeit?«
    Denn die Tränen liefen ihr schon wieder aus den Au gen und jeder soundsovielte Atemzug war ein krampfhafter Schluchzer. »Verdammt, wegen dir«, sagte sie. Da waren sie bereits in Sichtweite des Logenhauses. »Das hab ich dir doch vorhin schon erklärt, und es ist die reine Wahrheit, Marian.« Ein schiefes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Bis vor drei Jahren ist Jakob, mein Zwillingsbruder, in den Sommerferien immer mit hierhergekommen. Und du erinnerst mich wahnsinnig stark an ihn.«
    Sie wischte sich wieder über die Augen. Marians Herz klopfte wie verrückt. Sie standen so nah voreinander, dass sich ihre Oberkörper fast berührten. »Was ist denn mit ihm passiert«, fragte er, »ich meine, warum ist er danach nicht mehr mit hierhergefahren?«
    Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Denn er ahnte doch, was sie jetzt antworten würde. Es erklärte alles – ihr seltsames Verhalten, ihre Aufregung über die Golems, ihre Tränen.
    »Jakob ist hiergeblieben«, sagte sie. Er spürte ihren Atem auf seinem Gesicht. »Er ist vor drei Jahren hier während der Ferien verschwunden. Die Polizei glaubt, dass er im Moor ertrunken ist. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt, Marian.« Sie schlang ihre Arme um ihn und presste ihn an sich. Ihr tränennasses Gesicht an seiner Wange. »Und du weißt es auch«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Er ist nicht im Moor ertrunken, er ist immer noch da draußen – im Hexenholz.«

28

    »Du kommst ein bisschen ungelegen«, sagte Torgas. »Hat das nicht bis morgen Zeit?« Er hielt den Schlüsselbund bereits in der Hand, machte aber keine Anstalten, das Tor für Marian aufzuschließen.
    »Marthelm hat mir geschrieben, dass Sie mir helfen würden, wenn ich Sie darum bitte. Er wollte …«
    Der Bruder Türsteher schnitt ihm mit einer müden Handbewegung das Wort ab. »Er wollte viel, unser Meister Marthelm. Und vielleicht haben wir ihm zu oft seinen Willen gelassen.« Dann sah er Marian an, als würde ihm plötzlich klar, mit wem er sprach. »Also, ich lasse dich herein. Das macht im Grunde keinen Unterschied mehr.«
    Seine Hand zitterte so sehr, dass er erst beim dritten Versuch den Schlüssel ins Schloss bekam. Auch seine Augen waren voller Angst, als er Marian wieder ansah. »Aber du musst mir versprechen, dass du heute wirklich oben in der Bibliothek bleibst.«
    Marian nickte. Stumm folgte er dem Bruder Türsteher ins Haus. Vom Keller her schallte abermals lautes Hämmern und Rumoren empor. Er wollte Torgas fragen, was es damit auf sich hatte, aber der alte Mann warf ihm einen so düsteren Blick zu, dass Marian seine Frage wieder herunterschluckte.
    Vor der offenen Bibliothekstür zog Torgas eine goldene Taschenuhr aus seiner Weste. Er klappte den

Weitere Kostenlose Bücher