Gößling, Andreas
ihn an.
Was soll das jetzt?, dachte er. Billa lag ja wieder mal gar nicht so sehr daneben, aber sie wollte doch jetzt hoffentlich nicht mit ihm flirten, oder? Das wollte er zwar auch, sogar nichts lieber als das. Aber erst mal mussten sie diese andere Sache klären. »Was war denn gestern mit dir los?«, fragte er schnell. »Wieso hat dich das so mitgenommen, von der Golem-Story zu reden?«
»Mann, Marian, wegen dir halt.« Sie nahm seine Hände und zog ihn so nah zu sich, dass ihre Knie fast seinen Gürtel berührten. »Willst du mir keinen Kuss geben?«
Herrje, dachte er – und dann erst mal gar nichts mehr. Sie zog ihn noch näher zu sich heran. In ihren Augen tanzten blaue Fünkchen. Ihr Mund vor seinem, so nah, dass er ihren Zahnpastaatem roch. Irgendwie ging es jetzt gar nicht mehr anders, und eigentlich wollte er ja auch – er berührte kurz ihre Lippen und richtete sich dann wieder auf.
»Du bist nicht so der Genießertyp, wie?« Sie grinste schon wieder. »Immer cool und sachlich, auch beim Küssen?«
Dabei war sie es, die jetzt ganz kühl und kontrolliert wirkte. Sein Gesicht dagegen fühlte sich heiß an. »Und du«, gab er zurück, »stürmst du immer so drauflos?«
»Nur wenn ich so total verknallt bin wie jetzt.« Sie lächelte maskenhaft.
Marian glaubte ihr kein Wort. Vielleicht hatte sie sich wirklich ein wenig in ihn verknallt – so wie umgekehrt auch er. Aber trotzdem spürte er doch diesen seltsamen Unterton. Als würde Billa mit zwei Stimmen gleichzeitig reden. Keine Ahnung, was sie vorhat, dachte er. Aber er würde vorsichtig bleiben.
»Lassen wir das jetzt einfach mal«, sagte er und wand seine Hände behutsam aus den ihren hervor. »Diese Golem-Sache – du weißt doch auch was darüber, oder? Ich meine …« Er holte tief Luft, ehe er weitersprach. »… dass hier in Croplin vor langer Zeit jemand versucht haben soll, solche Monster zu erschaffen?«
›»Jemand‹ ist gut. War das nicht auch wieder einer aus deiner Sippe – ein gewisser Justus Hegendahl? Er soll auch schon ein Freimaurer gewesen sein – und die Lo genbrüder waren wohl damals genauso wie heute irgendwie in die Sache verwickelt.«
Erwartungsvoll sah sie ihn an. Aber er zuckte nur mit den Schultern. »Könnte schon sein.« Er drehte den Kopf zur Seite, weil er ihren brennenden Blick nicht länger aushielt. »Gehen wir ein Stück? Ich muss noch mal zum Logenhaus.«
Sie sprang vom Brunnensims herunter. »Okay, gehen wir.« Sie fasste nach ihm, aber Marian tat so, als hätte er es nicht bemerkt, und steckte seine Hand schnell in die Hosentasche.
Sie schlenderten durch die Herrengasse, wieder Arm neben Arm. Billa gefiel ihm sehr, aber sie war ihm einfach nicht ganz geheuer. Mit ihr Hand in Hand gehen, sie noch mal küssen, aber diesmal richtig – das hätte er alles brennend gern gemacht. Wenn er nur nicht dieses hässliche Nagen im Magen spüren würde: Irgendwas stimmt nicht mit ihr, pass auf.
Aus den Augenwinkeln sah Marian sie an. Sie war das mit galaktischem Abstand schönste Mädel, das ihn jemals aufgefordert hatte, sie zu küssen. Doch gleichzeitig ging von ihr etwas irgendwie Düsteres, Bedrohliches aus. Ihre Haarmähne trug Billa heute zu einer Art Nest aufgestapelt, aus dem sich kupferblonde Strähnen in alle Richtungen schlängelten. Wie bei Medusa, der Urmutter aller Hexen, dachte er – die hatte allerdings Giftschlangen im Haar.
»Ich hab durch Marthelms Brief von der ganzen Sache hier erfahren«, sagte er, als sie gerade an Julians Apotheke vorbeikamen. »Und woher weißt du davon?«
Prüfend sah sie ihn von der Seite an. Anscheinend überlegte sie, wie offen sie sein durfte. »Also gut, Vertrauen gegen Vertrauen«, sagte Billa schließlich. »Der Reiterhof drüben, hinter dem Hexenholz – das ist eigentlich mehr so ein abgewracktes Bauerngehöft, obwohl es da auch ein paar Pferde gibt. Ich war schon als Kind oft in den Ferien hier. Der Hof gehört drei Frauen. Die eine ist noch einigermaßen jung, die zweite alt, die dritte uralt. Sie sagen von sich selbst, dass sie Hexen wären – halb im Spaß, klar, aber eben auch halb im Ernst.« Ihr Atem wurde wieder hektischer, und als sie auf seine rechte Seite wechselte und wieder Händchen halten wollte, ließ er es diesmal zu.
Wie kühl und schmal ihre Hand in seiner lag. Oh holde Maid, dachte Marian, während Billa stockend weiterredete, wieder mit einem Unterton, als ob sie gegen einen Heulkrampf ankämpfen würde. »Was Genaues war nie aus ihnen
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