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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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des Herzogs besänftigen und ihn Geschmack finden lassen würde an innerer Harmonie, die der Prediger von Zürich seiner Umgebung so eindringlich vorlebte. Und tatsächlich beeindruckte Lavater den Herzog, für den Augenblick jedenfalls. »Die Gegenwart Lavaters hat etwas ganz eigen Balsamisches«, heißt es in einem Brief Karl Augusts an die Herzogin, »ich gebrauche ihrer soviel als nur immer möglich 〈...〉 Ich kann nicht besser, als mit den Wort, Aufräumung des Verstandes, ausdrücken daß, was mich dünkt, er auf mich gewirkt hat.«
    Für den Herzog hatte Lavater etwas »Balsamisches«, für Goethe war er wie eine
Brunnen Kur
, man fühle sich wie erfrischt,
wenn man wieder einmal so einen ganz wahren Menschen sieht.
In Goethes Beschreibung Lavaters häufen sich die Attribute des Reinen:
Hier bin ich bei Lavatern, im reinsten Zusammengenuß des Lebens, in dem Kreise seiner Freunde ist eine Engelsstille und Ruh
〈...〉
daß jeder
〈...〉
eine reine menschliche Existenz in der nächsten Notdurft hat
. Goethe benennt hier die Heilwirkung der Begegnung mit Lavater, von der er hofft, daß der Herzog sie ebenso verspüren möge.
Erst hier geht mir recht klar auf in was für einem sittlichen Tod wir gewöhnlich zusammen leben, und woher das Eintrocknen und Einfrieren eines Herzens kommt das in sich nie dürr, und nie kalt ist. Gebe Gott daß unter mehr großen Vorteilen auch dieser uns nach Hause begleite, daß wir unsre Seele offen behalten, und wir die guten Seelen auch zu öffnen vermögen. Könnt ich euch malen wie leer die Welt ist, man würde sich an einander klammern und nicht von einander lassen. Indes bin ich auch schon wieder bereit daß uns der Schirokko von Unzufriedenheit, Widerwille, Undank, Lässigkeit und Prätension entgegen dampfe.
    Dieser Schirokko hatte beim Herzog und auch bei Goethe noch nicht die befürchtete üble Wirkung getan, denn in Weimar glaubte man an den beiden ein verändertes Verhalten bemerken zu können. Der Herzog erschien irgendwie geläutert, veredelt und von »herzgewinnendem Betragen«, und Goethe erschien »gut wie ein Kind«. Da Goethe als der spiritus rector des ganzen Unternehmens galt, rechnete man auch ihm das Verdienst an dem Erfolg der Reise zu. Diese Reise, sagte Wieland, gehöre »unter Göthens meisterhafteste Dramata«.
    Auch noch in anderer Hinsicht sollte die Reise Bereinigungen ermöglichen. Unterwegs in den Süden kam man auch in Straßburg vorbei. Es wird wohl der feste Vorsatz Goethes gewesen sein, bei dieser Gelegenheit einen Besuch zu machen bei den Geliebten der vergangenen Jahre, die er unter Schuldgefühlen verlassen hatte. Auch da gab es etwas ins Reine zu bringen.
    Am 25. September 1779 ritt er von Straßburg aus nach Sesenheim hinüber, auf dem Weg voller Erinnerungen, und fand das Pfarrhaus der Brions äußerlich unverändert und die Familie noch so versammelt, als hätte er sich gerade von ihr verabschiedet.
Da ich jetzt so rein und still bin wie die Luft so ist mir der Atem guter und stiller Menschen sehr willkommen
. In einem ausführlichen Brief an Charlotte gibt er eine eindringliche Schilderung der Wiederbegegnung mit Friederike:
Die Zweite Tochter vom Hause hatte mich ehmals geliebt schöner als ich’s verdiente, und mehr als andre an die ich viel Leidenschaft und Treue verwendet habe, ich mußte sie in einem Augenblick verlassen, wo es ihr fast das Leben kostete, sie ging leise drüber weg mir zu sagen was ihr von der Krankheit jener Zeit noch überbliebe, betrug sich allerliebst mit soviel herzlicher Freundschaft vom ersten Augenblick da ich ihr unerwartet auf der Schwelle ins Gesicht trat, und wir mit den Nasen aneinander stießen daß mir’s ganz wohl wurde. Nachsagen muß ich ihr daß sie auch nicht durch die leiseste Berührung irgend ein altes Gefühl in meiner Seele zu wecken unternahm. Sie führte mich in jede Laube, und da mußt ich sitzen und so war’s gut.
Anders in einer Notiz zwanzig Jahre später. Dort ist davon die Rede, daß der
größte Teil der Unterhaltung
mit Friederike sich auf das ärgerliche Verhalten von Lenz bezog, wie dieser dem Mädchen nachgestellt und ihr Verliebtheit vorgespiegelt habe, nur um Einblick in Goethes Briefe zu bekommen. Goethe stellt das nicht als seine Vermutungen dar, sondern als Friederikes Beurteilung.
Sie klärt mich über die Absicht auf, die er gehabt, mir zu schaden, und mich in der öffentlichen Meinung und sonst zu Grunde zu richten
. Demnach war es nicht nur ein friedliches

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