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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Gespräch in der Laube. Alte Wunden wurden berührt, doch so, daß die verletzten Gefühle bei Friederike und die Schuldgefühle bei Goethe auf den armen Lenz abgewälzt werden konnten. Am nächsten Morgen konnte Goethe wehmütig und doch frohgemut davonreiten in der Gewißheit,
daß ich nun auch wieder mit Zufriedenheit in das Eckchen der Welt hindenken, und in Friede mit den Geistern dieser ausgesöhnten in mir leben kann.
    Die nächste Bereinigung tags darauf in Straßburg. Er besuchte Lili Schönemann, jetzt verheiratete von Türckheim.
Auch da wurde ich mit Verwundrung und Freude empfangen
. Lili, die
gute Kreatur
, schien glücklich verheiratet. Der Mann wohlhabend mit schönem Haus und
stattlichem bürgerlichen Rang
, Lili hatte
alles was sie brauchte
. Goethe spielt auf Lilis luxuriöse und mondäne Bedürfnisse an, die jetzt angemessen befriedigt werden könnten, in der Beziehung zu ihm damals jedoch zum Problem geworden waren. Lili hat, was sie braucht, und er braucht sich nicht mit Schuldgefühlen belasten. Auch diesmal scheint der Mond, wie am Abend zuvor bei Friederike. Ein wenig
prosaisch
kommt ihm das Leben bei den reichen Türckheims allerdings vor, doch es stellt sich kein Mißvergnügen ein. Das Gefühl, etwas bereinigt zu haben, ist einfach stärker:
so ist doch in dem Gefühl von durchgehendem reinem Wohlwollen, und wie ich diesen Weg her gleichsam einen Rosenkranz der treusten bewährtesten, unauslöschlichsten Freundschaft abgebetet habe eine recht ätherische Wollust. Ungetrübt von einer beschränkten
Leidenschaft treten nun in meine Seele die Verhältnisse zu den Menschen die bleibend sind.
    Keine Trübung durch Leidenschaft, darauf kommt es ihm in diesem Augenblick an. Das aber wird ihm bei der Begegnung mit der schönen Antonia von Branconi in Lausanne nicht so leicht gelingen. Es muß für Charlotte von Stein etwas Kränkendes gehabt haben, wie er von dieser Frau spricht:
Sie kommt mir so schön und angenehm vor daß ich mich etlichemal in ihrer Gegenwart stille fragte, ob’s auch wahr sein möchte daß sie so schön sei.
Sie lädt ihn ein zweites Mal ein.
Am Ende ist von ihr zu sagen
, heißt es in dem Brief an Charlotte,
was Ulyss von den Felsen der Scylla erzählt: ›Unverletzt die Flügel streicht kein Vogel vorbei‹
. Die Frau von Branconi war eine weithin bekannte, gefeierte Schönheit. Goethe hatte bei Lavater einen Schattenriß von ihr gesehen, der seine Neugier erregte, weshalb er sie in Lausanne besuchte. Die Branconi war die Mätresse des Erbprinzen von Braunschweig gewesen, was nach damaligen Gepflogenheiten ihrem Ruf durchaus nicht schadete. Sie lebte teils in Lausanne teils auf ihrem Landsitz bei Halberstadt, wo Goethe sie später auch besuchen wird. Er mußte sich schon sehr anstrengen, um nicht in ihren Bann zu geraten, es war eine große Herausforderung für sein Reinheitsgebot, zuerst bei seinem Besuch in Lausanne und dann ein Jahr später, 1780, bei ihrem Gegenbesuch in Weimar. In einem Brief an Lavater aus dieser Zeit schreibt Goethe:
Deine Frage über die
Schöne
kann ich nicht beantworten. Ich habe mich gegen sie so betragen, als ich’s gegen eine Fürstin oder eine Heilige tun würde. Und wenn es auch nur Wahn wäre, ich möchte mir solch ein Bild nicht durch die Gemeinschaft einer flüchtigen Begierde besudlen. Und Gott bewahre uns für einem ernstlichen Band, an dem sie mir die Seele aus den Gliedern winden würde.
    Charlotte von Stein gegenüber stellt Goethe seine Bemühungen um Reinheit und Freiheit von den
flüchtigen Begierden
etwas anders dar. Der Gedanke an sie, so schreibt er ihr am Tag des Besuchs der Branconi, schütze ihn vor der schönen Anderen.
Die schöne Frau wird mir heute den ganzen Tag wegnehmen.
〈...〉
Sie ist immer schön sehr schön, aber es ist als wenn Sie mein liebstes entfernt sein müßten wenn mich ein andres Wesen rühren soll.
Selbstverständlich
rührt
es ihn doch. Es wird einen inneren Aufruhr gegeben haben, denn nur mühsam bewahrt er Haltung. Als die Branconi abreist, schickt er ihr einige vielsagende und viel verschweigende Zeilen hinterher:
Erst jetzt spür ich daß Sie da waren, wie man erst den Wein spürt wenn er eine Weile hinunter ist. In Ihrer Gegenwart wünscht man sich reicher an Augen, Ohren und Geist, um nur sehen, und glaubwürdig und begreiflich finden zu können, daß es dem Himmel, nach so viel verunglückten Versuchen, auch einmal gefallen und geglückt hat etwas Ihresgleichen zu machen. Ich müßte in

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