Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
spielt eine Rolle in Goethes erstem Theaterstück, das sich unmittelbar mit den Folgen der Revolution beschäftigt. In nur drei Tagen verfaßt er zwischen dem 23. und 26. April den komödiantischen Einakter »Der Bürgergeneral«, eine Fortschreibung eines populären französischen Lustspiels um einen komischen Gauner und Barbier namens Schnaps. Auch andere Charaktere aus dieser Komödie läßt Goethe auftreten. Er wollte für sein Weimarer Theater etwas Gängiges und Schnellfertiges liefern, und da die Schnaps-Komödien großen Anklang beim Publikum gefunden hatten, knüpfte Goethe daran an. Er nennt das Stück
ein Zeugnis meines ärgerlich guten Humors
.
Ärgerlich
war er über den Revolutionarismus bei der öffentlichen Meinung in Deutschland. Indem er ihn ins lächerlich Groteske steigerte, suchte er sich den
guten Humor
zu bewahren.
Schnaps hat von einem französischen Kriegsgefangenen eine Uniform, eine Freiheitsmütze, eine Kokarde und einen Säbel ergattert. So verkleidet gibt er sich als Beauftragter der revolutionären Macht aus und fordert als
patriotische Contribution
vom leichtgläubigen Bauern Märten, dessen Verstand durch zu viel Zeitungslektüre Schaden genommen hat, ein kostenloses Frühstück aus Sauermilch und Brot. Märtens Schwiegersohn Görge kommt, Unrat witternd, vom Feld und verprügelt Schnaps. Der Lärm ruft den Dorfrichter herbei, und das ganze Haus gerät in den Verdacht, ein Jakobinerversteck zu sein. Am Ende stellt der besonnene Grundbesitzer die allgemeine Ordnung und Zufriedenheit wieder her. Schnaps bekommt noch nicht einmal eine Strafe, das würde nur
Schrecken und Mißtrauen in einem ruhigen Lande
erregen. Der Kerl soll einfach seiner geregelten Arbeit nachgehen. Das Stück endet mit einem Resümee des einsichtigen Grundbesitzers:
wo
alle Stände billig gegen einander denken; wo niemand gehindert ist, in seiner Art tätig zu sein; wo nützliche Einsichten und Kenntnisse allgemein verbreitet sind;
〈...〉
aber
aufrührerische Gesinnungen ganzer Nationen werden keinen Einfluß haben. Wir werden in der Stille dankbar sein, daß wir einen heitern Himmel über uns sehen, indes unglückliche Gewitter unermeßliche Fluren verhageln
.
Das Stück mündet in Sentenzen, hat aber doch durch die knappen, pointierten Dialoge Witz und Tempo. Die Revolution ist ein drohendes Verhängnis im Hintergrund, im Vordergrund aber eine Farce. Hier zählen letztlich andere Dinge, zum Beispiel daß Görge und Röse schon volle zwölf Wochen verheiratet sind und sich noch immer lieben. Görge zu Röse:
Sie sagen: als Mann und Frau hätte man sich nicht mehr so lieb wie vorher. Es ist nicht wahr, Röse. Wie lange haben wir uns schon?
Das war aus Goethes Herzen gesprochen. Fast drei Jahre lebte er nun schon mit Christiane zusammen, und man liebte sich immer noch.
»Der Bürgergeneral« zählte damals zu Goethes erfolgreichen Stücken, was Goethe später nicht wahrhaben wollte, als er erklärte, es sei
widerwärtig
aufgenommen worden. Tatsächlich wurde es häufiger gespielt als »Iphigenie« oder »Tasso«. Die leichtgewichtige Posse erlebte in den ersten Jahren immerhin fünfzehn Aufführungen. So ganz mochte Goethe sich nicht dazu bekennen, denn das Stück fand keine Aufnahme in die Reihe der »Neuen Schriften«.
Durch den Erfolg dieses Stückes ermuntert, machte sich Goethe sogleich an ein neues Stück, das auch wieder die Folgen der Revolution in Deutschland behandeln sollte. Inzwischen war er offenbar davon überzeugt, daß die Revolution zweimal geschieht; das eine Mal in Frankreich, als Tragödie; das andere Mal in Deutschland, als Farce. Über das Fragment gebliebene Stück »Die Aufgeregten« sagte Goethe drei Jahrzehnte später zu Eckermann, es ließe sich
gewissermaßen als mein politisches Glaubensbekenntnis jener Zeit ansehen.
Das Stück ist um einiges ernsthafter als »Der Bürgergeneral«. Aus den bedrückenden bäuerlichen Verhältnissen am Ort entwickelt sich eine Gegenbewegung. Auf der Bühne erscheinen nur deren Wortführer, die sogenannten Gebildeten, das sind die Leute, die Zeitung lesen und zu wissen glauben, was in Frankreich vor sich geht. Zu gerne würden sie die großen Szenen der Revolutionsgeschichte nachspielen und sich in ihrem Glanze sonnen. Breme von Bremsfeld, der Anführer der Aufgeregten, erklärt:
Wie oft hat man diese wackern Helden gemalt und in Kupfer gestochen! Auch uns wird diese Ehre widerfahren. In dieser Positur werden wir auf die Nachwelt kommen.
Der
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