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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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der Mißhandlungen.
    Welch lebensgeschichtliche Zäsur diese Ereignisse für Goethe markieren, ist auch daran abzulesen, daß er in der Folge der Katastrophe vom Herbst 1806 unverzüglich in dreifacher Hinsicht, wie Gustav Seibt herausgefunden hat, die »rechtliche und gesellschaftliche Modernisierung seiner persönlichen Lebensumstände« vollzog. Zunächst die Eigentumsverhältnisse. Der Herzog hatte ihm zwar das Haus am Frauenplan geschenkt, doch war dieses Eigentum nicht frei von Resten feudaler Abhängigkeit. Der Herzog zahlte die Grundsteuer und nahm dafür das mit dem Anwesen verbundene Braurecht in Anspruch. Nun bittet Goethe in einem Brief an den abwesenden Herzog darum, die alten Verbindlichkeiten ablösen und das Haus in einem eindeutig bürgerlichen Sinne besitzen zu dürfen.
Es wird ein Fest für mich und die Meinigen sein wenn die Base des entschiedenen Eigentums sich unter unsern Füßen befestigt, nachdem es so manchen Tag über unserm Haupte geschwankt und einzustürzen gedroht hat.
Erst in dem darauffolgenden Brief rückt Goethe mit der anderen Nachricht heraus, die sich ebenfalls auf die Verbürgerlichung seiner Lebensverhältnisse bezieht: er hat nämlich inzwischen Christiane Vulpius geheiratet. Nicht nur, weil diese Entscheidung auch den Hof und die bessere Gesellschaft von Weimar angeht, sondern auch als Freund, hätte Goethe den Herzog eigentlich in die Entscheidung einbeziehen müssen. Er ist sich dessen wohl bewußt, das merkt man an der geschickten Art, mit der er die erfolgte Heirat dem Herzog im Brief vom 25. Dezember 1806 mitteilt. Er gratuliert dem Herzog zu dem Sohn, den ihm seine Mätresse, die Schauspielerin Karoline Jagemann, soeben geboren hat, und kommt dann auf August, den eigenen bisher noch unehelichen Sohn zu sprechen, womit der elegante Übergang gemacht ist.
Er läßt sich noch immer gut an und ich konnte mir Ew. Durchl. Einwilligung aus der Ferne versprechen als ich, in den unsichersten Augenblicken, durch ein gesetzliches Band, ihm Vater und Mutter gab, wie er es lange verdient hatte. Wenn alte Bande sich auflösen wird man zu den häuslichen zurückgewiesen, und überhaupt mag man jetzt nur gerne nach innen sehen.
    Die Hochzeit war kurz entschlossen und geradezu überstürzt vollzogen worden. Sogleich nachdem die ersten schlimmen Tage überstanden waren, schrieb Goethe am 17. Oktober an den Hofprediger Günther:
Dieser Tage und Nächte ist ein alter Vorsatz bei mir zur Reife gekommen; ich will meine kleine Freundin, die so viel an mir getan und auch diese Stunden der Prüfung mit mir durchlebte völlig und bürgerlich anerkennen, als die Meine.
Die Trauung sollte so schnell wie möglich stattfinden, und möglichst geräuschlos. Das geschieht zwei Tage später, der Sohn und Riemer sind die Trauzeugen. Der treue Voigt hat im Hintergrund für die Beschleunigung der amtlichen Vorgänge gesorgt. Es gibt keine Hochzeitsfeier. Goethe geht noch am selben Tag an den Hof, selbstverständlich ohne Christiane. Er verkehrt dort vor allem mit den französischen Offizieren, denn Weimar steht jetzt offiziell unter französischer Militärverwaltung. Nur einmal nimmt er Christiane mit in Gesellschaft, und zwar zur Teestunde bei Johanna Schopenhauer, die erst kurz zuvor nach Weimar übergesiedelt war. Er »stellte mir seine Frau vor«, schrieb sie ihrem Sohn Arthur, »ich empfing sie als ob ich nicht wüßte wer sie vorher gewesen wäre, ich denke wenn Göthe ihr seinen Namen gibt können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben«. Diese Liberalität wird ihrem neu begründeten Salon zugute kommen, denn indem Goethe sich dort gerne sehen läßt, zieht er andere an. Goethe gibt sich hier in der Regel besonders aufgeräumt, setzt sich in die Ecke, zeichnet, liest vor, deklamiert und stiftet die Damen bisweilen zum gemeinsamen Singen an. Das alles berichtet Johanna stolz ihrem Sohn Arthur, der darüber ganz neidisch wird, wohl weniger auf das gemeinsame Singen als auf Goethes Reden, die er gerne mit anhören würde.
    Goethe war nun also verheiratet. In den Briefen an die Freunde und Bekannten, in denen er nach den überstandenen schlimmen Tagen Bilanz zieht, ist von der Eheschließung nicht die Rede. Die Zeitungen jedoch haben es eilig, darüber zu berichten, manchmal auch recht anzüglich und boshaft. In der weit verbreiteten »Allgemeinen Zeitung« konnte man am 24. November 1806 lesen: »Göthe ließ sich unter dem Kanonendonner der Schlacht mit seiner vieljährigen Haushälterin, Dlle Vulpius,

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