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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Preußens zu bleiben. So verabschiedet er sich am 17. September 1806, um mit dem preußischen Heer gegen Frankreich zu kämpfen. Goethes Amtskollege Voigt führt die Regierungsgeschäfte und ist deshalb über die Details der Entwicklung am besten informiert. An ihn wendet sich Goethe mit den Worten:
danke aufs verbindlichste, daß Sie mir einen Wink über die äußern Zustände geben wollen, da man bei der großen Schwankung der Gemüter sich selbst im Gleichgewicht zu halten Mühe hat.
Im Rückblick schreibt Goethe über den besonnenen Kollegen Voigt, der in diesen Wochen die politische Hauptverantwortung trug:
Welche sorgenvolle Verhandlungen ich mit meinem treuen und ewig unvergeßlichen Geschäftsfreunde dem Staatsminister
von Voigt
damals gewechselt, möchte schwer auszusprechen sein.
Voigt dachte politisch ähnlich wie Goethe: man sollte so lange wie möglich die Neutralität wahren und sich Frankreich und Napoleon bloß nicht zum Feinde machen. Nun war es doch anders gekommen. Der Krieg war da.
    Wie immer bei äußerer Anspannung und höchster Gefahr vertieft sich Goethe in seine naturwissenschaftlichen Studien. Er arbeitet an der »Farbenlehre«. Abends gibt es bei der Herzoginmutter in Tiefurt Konzerte.
Kapellmeister
Hummel
war gegenwärtig, und man musizierte mit schwerem Herzen
. Ab Mitte September wird preußisches Militär in Jena einquartiert, und Goethe räumt sein Zimmer im Alten Schloß für den Fürsten Hohenlohe-Ingelfingen, den Kommandeur eines preußischen Infantriecorps. Unverdrossen ordnet Goethe die aus Karlsbad mitgebrachte Sammlung von Granitsteinen und schickt ausgewählte Stücke an Professor Johann Friedrich Blumenbach nach Göttingen, der sich darüber wundert, daß Goethe in dieser Situation offenbar nichts Besseres zu tun hat. Mit Hegel, der gerade am Schlußkapitel seiner »Phänomenologie des Geistes« arbeitet, trifft er sich, der
trüben Ansichten ungeachtet,
zu philosophischem Gespräch. Ein preußischer Offizier, der Oberst Christian von Massenbach, hat ein patriotisches Pamphlet in den Druck gegeben, das mit den Worten anfing »Napoleon ich liebte dich!« und endete mit »ich hasse dich!«. Goethe, der vom Pamphletisten ins Vertrauen gezogen wird, ist entsetzt. Ein solches Elaborat würde, glaubt er,
beim Einrücken des französischen Heeres der Stadt notwendig Verderben bringen
. Es galt, die Veröffentlichung unter allen Umständen zu verhindern. Doch Goethe mußte bemerken, daß er es mit einem
beharrlichen Autor
zu tun hatte.
Ich aber blieb ein eben so beharrlicher Bürger,
〈...〉
so daß er
〈der Offizier〉
endlich nachgab.
Einige Professoren und Studenten verlassen vorsorglich Jena. Man versteckt Geld und andere Wertgegenstände. Um sich Mut zu machen, wird ins patriotische Horn gestoßen. Bei einer solchen Gelegenheit trug Goethe dann, gänzlich unpassend, das Gedicht vor:
Ich hab mein Sach’ auf nichts gestellt!
Sogar Wieland empörte sich über einen solchen Mangel an Patriotismus. Auch Friedrich Gentz, der gerade in Weimar zu Besuch war, zeigte sich über Goethes Haltung verärgert: »Er ist ein schändlicher Egoist und Indifferentist«, schreibt er später. »Ich werde nie vergessen, in welcher moralischer Stellung ich ihn 2 Tage vor der Schlacht bei Jena im Jahr 1806 gefunden habe.« Noch am Vorabend der Schlacht läßt Goethe auf dem Theater spielen, »Fanchon das Leiermädchen« steht auf dem Programm. Die Hauptdarstellerin, Sängerin Marianne Ambrosch, soll, wütend über Goethe, ausgerufen haben: »Es ist doch entsetzlich, was wir von diesem Manne (Göthe) gequält (gepeinigt) werden. Man sollte Betstunden halten und wir müssen Komödie spielen.«
    Die Schlacht am 14. Oktober, die mit einer verheerenden Niederlage der preußischen Armee endete, zog sich mit ihren Endgefechten bis zum östlichen Ortsausgang von Weimar hin. Den ganzen Tag über hatte man Kanonendonner gehört. Im Haus am Frauenplan setzte man sich dennoch wie gewöhnlich an den Mittagstisch, wurde dann aber von dem vermehrten Kanonendonner und den Rufen »Die Franzosen kommen!« aufgeschreckt. Friedrich Wilhelm Riemer, Goethes Mitarbeiter und Hauslehrer des Sohnes, hat die dann folgenden Ereignisse recht genau geschildert. Goethe selbst notiert im Tagebuch lediglich:
Abends um 5 Uhr flogen die Kanonenkugeln durch die Dächer um

6 Einzug der Chasseurs. 7 Uhr Brand Plünderung schreckliche Nacht. Erhaltung unseres Hauses durch Standhaftigkeit und Glück.
    Hinter diesen wenigen Worten

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