Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Monaten angedeutet hat: Am 6. Juni stirbt Christiane nach tagelangen qualvollen Krämpfen.
Die Eheleute hatten die letzten Jahre eher nebeneinander als miteinander gelebt, und doch hatte Goethe Christiane an vielem, wenn auch nicht an allem, Anteil nehmen lassen, wie auch die Briefe an sie zeigen, die ausführliche Schilderungen der Reisen und Begegnungen enthalten. So hatte Goethe ihr auch von der letzten Reise geschrieben, allerdings seine Gefühle für Marianne ausgespart. Die Briefe, die zwischen Goethe und Christiane gewechselt wurden, waren im Ton stets liebevoll. Christiane hatte ihn umsorgt, ihm den Haushalt geführt, ihm Gesellschaft geleistet, wenn er darum bat. Wie unersetzlich sie war, wurde ihm erst nach ihrem Tod richtig bewußt. Mit Hingabe hatte Christiane für ihn gesorgt und dem Hauswesen vorgestanden, und doch hatte sie es auch verstanden, ihr eigenes Leben zu führen im Kreise ihrer eigenen Freunde und Bekannten. Sie war eine gesellige Natur, kochte gut, genoß gutes Essen und sprach auch dem Wein tüchtig zu. Das Theater war ihre Leidenschaft, und hier hatte sie ein Urteil, auf das Goethe hörte. Er äußerte einmal im Spaß, er plage sich mit dem Weimarer Theater eigentlich nur ihretwegen ab. Goethe ermunterte sie ausdrücklich, es sich gutgehen zu lassen.
Ihre Krankheit hatte sich im Frühsommer 1815 angekündigt mit Ohnmachtsanfällen, Magenkrämpfen und Blutstürzen. Im Frühjahr darauf dann das finale Stadium. Goethe liegt krank darnieder, als Christiane stirbt. Es ist so wie damals bei Schillers Tod, als Goethe auch nicht aus seiner Krankenstube herauskam. Am 5. Juni 1816 notiert Goethe im Tagebuch:
Meine Frau in äußerster Gefahr.
〈...〉
Mein Sohn Helfer, Ratgeber ja einziger haltbarer Punkt in dieser Verwirrung.
Am nächsten Tag:
Gut geschlafen und viel besser. Nahes Ende meiner Frau: Letzter fürchterlicher Kampf ihrer Natur. Sie verschied gegen Mittag. Leere und Totenstille in und außer mir.
Doch schon am Abend des folgenden Tages läßt er Riemer zu sich kommen und unternimmt mit ihm einige Farbexperimente. Gegen Schmerz und Verzweiflung hilft nur Tätigkeit. Einige Wochen später, am 20. Juli 1816, bricht Goethe doch noch einmal auf zu einer Reise in den Westen, begleitet von Meyer. Er wollte nach Baden-Baden, zuvor aber noch einen Besuch bei Willemers machen. Doch nach zwei Stunden war die Reise zu Ende. Der Wagen stürzte um, Achsenbruch. Meyer wurde an der Stirn verletzt, Goethe bleib unversehrt. Er nahm den Unfall als ungünstiges Orakel und kehrte um. Das sollte zu einer Zäsur werden, denn von nun an verzichtete er überhaupt auf größere Reisen. Eine Ausnahme waren nur noch ein paar Jahre lang die regelmäßigen Besuche der böhmischen Bäder.
Es gingen noch einige Briefe zwischen den Willemers und ihm hin und her, in denen er seine Sehnsucht nach der Gerbermühle und Marianne ihre Sehnsucht nach Hatem zum Ausdruck brachten. Einmal zitierte sie ihm einen Vers, den sie in seiner Werkausgabe gefunden hatte.
Bist Du denn nicht auch zu Grunde gerichtet? / Von Deinen Hoffnungen trifft nichts ein!
Die Einladungen auf die Gerbermühle werden dringlicher, manchmal klingen sie schon fast verzweifelt. In seinen Briefen spuken nur noch selten orientalische Reminiszenzen herum. Dieser Quell schien zunächst ausgetrocknet zu sein. Im Oktober 1817 ein letzter Brief von Goethe, in dem er sich jenes ersten Besuchs auf der Gerbermühle im Herbst 1814 wehmütig erinnert. Danach verstummt er für mehr als ein Jahr. »Teuerster Freund, welch ein feindlicher Genius (ob ein Dämon der Gleichgültigkeit oder der Abneigung) ist Ursach, daß von Ihnen kein freundliches Wort mehr zu uns gelangt!«, schreibt Willemer einigermaßen verzweifelt. Marianne hatte in der Zwischenzeit zu zwanzig Gedichten Goethes Melodien komponiert und sang sie im Familienkreise zur Gitarre. Über Goethes Schweigen war sie so beunruhigt, daß sie zu kränkeln begann und vorübergehend die Stimme verlor. Willemer schreibt darüber an Goethe mit leichtem Vorwurf. Endlich, im November 1818, antwortet Goethe. Ihm war die Erinnerung an die Entstehungszeit des »West-östlichen Divan« und das lyrische Liebesspiel wieder nahe gerückt, denn als im Sommer 1818 der Druck des Werkes endlich vorbereitet wurde, tauchte er beim Korrekturlesen wieder tief ein in die damalige Gestimmtheit. Dabei entstanden noch weitere Divan-Gedichte, und als er endlich den Willemers antwortete, konnte Goethe die ersten Aushängebogen mitschicken:
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