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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Marienbad von Sonne, Licht, heiterer Geselligkeit erfüllt – und eben auch vom Schatten junger Mädchenblüte. Die Briefe an den Sohn verschweigen das meiste, doch Goethes Wohlbefinden ist darin zu spüren.
Meine Lebensweise ist sehr einfach: ich trinke morgens im Bette, bade den dritten Tag, trinke Abends am Brunnen, speise Mittags in Gesellschaft und so geht es denn hin. Der Wein ist auch endlich angekommen.
Es fehlte bei Brösigkes nicht an Wein, doch Goethe wollte seine Lieblingsweine vorführen. Da Goethe so häufig mit Ulrike zusammen ist, beginnt man zu tuscheln. Ein Besucher Marienbads schreibt im Sommer 1822: »Die Abende bringt derselbe größtenteils in Gesellschaft der Familie Levetzow zu, und er scheint vorzüglich an der Seite des ältesten Fräuleins, Ulrike von Levetzow, die ihn entweder mit Gesang oder einigen scherzhaften Gesprächen unterhält, wenigstens für einige Augenblicke die Unbilden zu vergessen, welche er durch die verunglückte Heirat seiner ehemaligen, unter dem Namen Vulpius bekannten Wirtschafterin zu dulden hat.«
    Im zweiten Sommer von Marienbad fühlt er sich Ulrike gegenüber nun wirklich nicht mehr als Großpapa. Er bemerkt, daß er verliebt ist. Aus diesem Sommer stammen die Verse:
Könnt ich vor mir selber fliehn; / Das Maß ist voll! / Ach! Warum streb ich immer dahin / Wohin ich nicht soll.
Sie sind flüchtig auf die Rückseite eines beschriebenen Bogens hingeworfen, ebenso wie die folgenden Verse:
Ach! Wer doch wieder gesundete! / Welch unerträgliche Schmerzen? / Wie die Schlange die verwundete / Krümmt sich’s im eignen Herzen
.
    Die Abreise im zweiten Sommer war für Goethe bereits ein schwerer Abschied, so sehr hatten sich seine Gefühle für Ulrike verstärkt.
Die Gegenwart weiß nichts von sich, / Der Abschied fühlt sich mit Entsetzen.
Unterwegs schrieb er in Eger dem Komponisten Tomaschek ins Stammbuch ein Gedicht mit der Überschrift »Liebesschmerzlicher Zwiegesang unmittelbar nach dem Scheiden«, später lautet sein Titel »Äolsharfen«, anspielend auf die bei den Romantikern beliebten Instrumente, die in den Parks paarweise angeordnet und aufeinander abgestimmt eine zauberhafte Windmusik erklingen ließen.
Ich dacht ich habe keinen Schmerz / Und doch war mir so bang ums Herz, / Mir war’s gebunden vor der Stirn / Und hohl im innersten Gehirn – / Bis endlich Trän auf Träne fließt, / Verhaltnes Lebewohl ergießt. – / Ihr Lebewohl war heitre Ruh, / Sie weint wohl jetzund auch wie du.
    »Keine Liebschaft war es nicht«, wird Ulrike später sagen. Das ungleiche Verhältnis deutet auch das Gedicht an. Das Mädchen empfindet weniger Trennungsschmerz, das
verhaltne Lebewohl
und auch die
heitre Ruh
lassen darauf schließen. Das Mädchen scheint unbeschwert, Goethe, dem liebenden Mann, ist es schwer ums Herz. Er ist nach diesem zweiten Sommer beunruhigt von sich selbst, von der ganzen Geschichte. Halb freut er sich schon auf das nächste Jahr, halb fürchtet er die dunklen Wintermonate im großen Haus am Frauenplan:
Der Tag ist mir zum Überdruß, / Langweilig ist’s wenn Nächte sich befeuern.
    Es kommen auch wirklich dunkle Monate. Mitte Februar 1823 erkrankt Goethe lebensbedrohlich. Wahrscheinlich war es ein Herzinfarkt. Zeitweilig verlor er das Bewußtsein. Starke Unterleibsschmerzen hielten ihn im Stuhl fest, wo er die Nächte sitzend verbrachte. Der Kanzler Müller war ein treuer Besucher, der Goethes geduldige, manchmal auch verzweifelte Äußerungen notierte.
Der Tod steht in allen Ecken um mich herum
, sagte er in einem Anfall von Angst und weiter:
O du christlicher Gott, wie viel Leiden häufst du auf deine armen Menschen, und doch sollen wir dich in deinen Tempeln dafür loben und preisen!
Goethe haderte mit Gott und den Ärzten:
Treibt nur eure Künste, das ist alles recht gut, aber ihr werdet mich doch wohl nicht retten
.
    Er übersteht die Krise, der Körper hat noch genügend Widerstandskräfte. Manche finden ihn geistig noch reger als vor der Krankheit. Auch er selbst ist erstaunt, wie gut es ihm wieder gelingt, sein
geistiges Wesen, wie es konnte und wollte, für sich walten zu lassen.
Mit dem Frühling sind also auch seine Lebensgeister erwacht. Mit einiger Rührung durchmustert Goethe den Stapel von wohlmeinenden Briefen und Genesungswünschen. Er ist, wie er wieder einmal bemerken kann, auch mit seiner Krankheit eine
öffentliche Person
. Mancherorts hatte man ihn schon für tot erklärt. Dem Genesenden wird eine Festaufführung des

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