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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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»Tasso« dargeboten. Seine Büste wird auf der Bühne mit Lorbeer umkränzt.
    Gräfin Auguste zu Stolberg, das »Gustchen« früherer Tage, jetzt fromme Witwe des dänischen Ministers Bernstorff, schrieb in Sorge um das Seelenheil des geliebten Brieffreundes von einst. Sie sieht den berühmten Dichter in Gefahr, er möge doch ablassen »von allem was die Welt, Kleines, Eitles, Irdisches, und nicht Gutes hat«. Der Brief war vor der Krankheit bei ihm eingetroffen. Er hatte ihn ärgerlich liegen gelassen. Durch Krankheit und Genesung milder gestimmt, schrieb er ihr einen schönen ausführlichen Brief zur Antwort:
Lange leben heißt gar vieles überleben, geliebte, gehaßte, gleichgültige Menschen, Königreiche, Hauptstädte, ja Wälder und Bäume, die wir jugendlich gesäet und gepflanzt. Wir überleben uns selbst und erkennen durchaus noch dankbar, wenn uns auch nur einige Gaben des Leibes und Geistes übrig bleiben.
〈...〉
Redlich habe ich es mein Lebelang mit mir und andern gemeint und bei allem irdischen Treiben immer aufs Höchste hingeblickt
〈...〉
Und so bleiben wir wegen der Zukunft unbekümmert! In unseres Vaters Reiche sind viel Provinzen, und da er uns hier zu Lande ein so fröhliches Ansiedeln bereitete, so wird drüben gewiß auch für beide gesorgt sein.
    Doch tatsächlich denkt Goethe weniger ans Jenseits, sondern an den nächsten Sommer. Er kann das Wiedersehen mit Ulrike in Marienbad kaum erwarten. Am 26. Juni 1823 bricht er auf. Diesmal wohnte er nicht im Brösigkeschen Hause, weil dort der Herzog sein Quartier bezogen hatte, sondern gegenüber in der »Goldenen Traube«, ebenfalls ein sehr vornehmes Hotel. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Terrasse, wo er wieder Stunden mit seiner Ulrike verplaudern konnte. Wieder abends Bälle und Redouten, und tags Steine sammeln und beklopfen. Diesmal kam noch die Wetterkunde dazu. Man beschaute die Wolkenbildungen und erfreute sich an ihrer vergänglichen Gestaltenfülle. So symbolisch war ihm dieses Wolkenwesen, daß er es später in der großen Elegie ausdrücklich mit Ulrike verwob.
Wie leicht und zierlich, klar und zart gewoben, / Schwebt, Seraph gleich, aus ernster Wolken Chor, / Als glich es Ihr, am blauen Äther droben, / Ein schlank Gebild aus lichtem Duft empor; / So sahst du Sie in frohem Tanze walten / Die lieblichste der lieblichsten Gestalten.
Doch noch ist der Sommer nicht vorbei, noch wird spaziert, gemeinsam getafelt und getanzt, und Goethe veranlaßt Gesellschaftsspiele, die bisweilen einen leicht anzüglichen Charakter annehmen. Man solle, so seine Idee, um ein Wort herum eine Geschichte erfinden, und schlägt den Ausdruck »Strumpfband« vor. Die Mädchen erröten, und Goethe redet unverfänglich über »Strumpfbandorden«.
    Mitte August rückt Goethe mit seiner Heiratsabsicht heraus. Der Herzog macht den Brautwerber. Vielleicht war ein wenig Boshaftigkeit im Spiel, doch er gibt sich eine ernsthafte Miene. Er lockte mit einem großartigen Angebot. Dem »jungen Paar« würde ein neues Haus dem Schloß gegenüber zur Verfügung gestellt, und Ulrike werde, falls sie ihren Gatten überleben sollte, eine hohe Pension zugesichert. Es werde also für alles gesorgt sein.
    Man sei über diesen Heiratsantrag aus allen Wolken gefallen, erzählt Ulrike später in ihren Erinnerungen, und habe das Ganze zunächst als Scherz aufgefaßt. Dann habe die Mutter die Entscheidung der Tochter überlassen, die sich, wie sie erzählt, nicht lange besinnen mußte: »ich hätte Goethe sehr lieb«, habe sie der Mutter gesagt, »so wie einen Vater, und wenn er ganz allein stünde, ich daher glauben dürfte, ihm nützlich zu sein, da wollte ich ihn nehmen; er habe ja aber durch seinen Sohn, welcher verheiratet sei und welcher bei ihm im Hause lebt, eine Familie, welche ich ja verdrängte, wenn ich mich an ihre Stelle setzte«. Goethe habe, wie Ulrike berichtet, mit ihr selbst über diese Angelegenheit nicht gesprochen. Der Heiratsantrag wurde auch nicht ausdrücklich zurückgewiesen. Noch bis zum Ende des Jahres war für Goethe die Sache unentschieden.
    Er hatte von Ulrike bei der Abreise innerlich Abschied genommen, doch zunächst nur im Gedicht, in der großen »Elegie«, die er auf der Reise mit krakeliger Schrift in einem Taschenkalender notierte, zu Hause auf feines Papier übertrug, in rotes Leder einbinden ließ und eine Weile lang wie ein Heiligtum hütete, das er nur wenigen Auserwählten zu lesen gab. Eckermann gehörte dazu, Riemer und Wilhelm von

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