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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Bundesakte des Wiener Kongresses versprochene Verfassung gewährt, die den Landständen das Steuerbewilligungsrecht gab und das Recht auf Freiheit der Presse verbriefte. Goethe war kein Freund dieser Erneuerungen und Wandlungen zu einer konstitutionellen Monarchie. Er sah im Herzogtum die Rechte der Menschen nicht gefährdet. Er zog den demokratischen Einrichtungen eine patriarchische Herrschaft vor mit einer herrschenden Elite, die uneigennützig die Interessen des Volkes berücksichtigte. Er war für freien Grundbesitz ohne feudale Privilegien, und für die Freiheit des Gewerbes. Darauf beschränkten sich seine politisch-gesellschaftlichen Wünsche und Vorstellungen. Von der Pressefreiheit hielt er wenig, sie erschien ihm als Freibrief für Demagogen und Ahnungslose, eine Ermunterung fürs allgemeine Politisieren. Seit den neunziger Jahren, als Goethe seine gegen die Revolution gerichteten Stücke schrieb, hatte sich an seinem Ärger über »Die Aufgeregten« nichts geändert. Nun hatten sich aber gerade in Weimar wegen der liberalen Pressegesetze einige patriotisch-demokratische Blätter angesiedelt, etwa Heinrich Ludens »Nemesis« und Lorenz Okens »Isis«. Dort wurde heftig gegen den reaktionären, autoritären Geist polemisiert und die habsburgische und russische Vorherrschaft in Deutschland als nationales Unglück angeprangert. So genoß Weimar bei den Patrioten in ganz Deutschland den Ruf einer Freistatt des Fortschritts. Metternich und den meisten anderen Landesfürsten war Weimar jedoch ein Dorn im Auge, und als in Jena die »Burschenschaft« gegründet worden war, nannte man den Großherzog den »Altburschen«. Im Großherzogtum wurde denn auch im Oktober 1817 ein Nationalfest auf der Wartburg begangen, wo der Reformation und des Sieges über Napoleon in der Viervölkerschlacht von Leipzig gedacht wurde. Bei dieser Gelegenheit kam es zur ersten Bücherverbrennung, man übergab auch die Werke Kotzebues, den man für einen russischen Spion hielt, den Flammen. Als anderthalb Jahre später der Burschenschaftler und Theologiestudent Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 Kotzebue erdolchte, nahm Metternich das zum Anlaß, um mit den »Karlsbader Beschlüssen« gegen die sogenannten »demagogischen Umtriebe« einzuschreiten. Die politisch unruhigen Universitäten wurden unter Kuratel gestellt, eine scharfe Pressezensur wurde überall verhängt, nun auch in Weimar. Es gab polizeiliche Maßregeln und Verfolgungen im großen Stil. Mit den Karlsbader Beschlüssen konnte das neu erwachte politische Leben zwar nicht erstickt werden, es mußte sich aber nun listig und einfallsreich an dem überall neu etablierten autoritären Regime vorbei seine indirekten Wege bahnen. Goethe, der in den letzten Augusttagen des Jahres 1819 in Karlsbad zur Kur weilte, hatte das ihm schmeichelnde Vergnügen, Metternich und anderen maßgeblichen Persönlichkeiten bei den Heilquellen zu begegnen. Die Karlsbader Beschlüsse fanden durchaus seine Zustimmung. An Karl August schrieb er:
Ew. Königlichen Hoheit sind die Resultate dieser Verhandlungen gewiß bald bekannt, und ich wünsche nur daß der Erfolg meinem Vorgefühl völlig entsprechen möge
.
    Karlsbad und Teplitz waren seit einigen Jahren die bevorzugten Kurorte für Goethe, wo er ein mondänes Badeleben antraf, das einigen Reiz auf ihn ausübte. Gekrönte Häupter, Minister, hoher Adel, schöne Frauen, freie und gebundene, auch bürgerlicher Reichtum, und nicht zuletzt angesehene Künstler und Wissenschaftler gaben sich dort ein Stelldichein. Morgens Heilwasser, abends Champagner und Tanz. Elegante Garderobe, Flanieren und Promenieren. Ein Kurorchester im Park. Im Jahre 1812 in Teplitz hatte Goethe zwischen Plauderstunden bei zwei Kaiserinnen auch noch Zeit gefunden für Beethoven, der sich über Goethes Adels-Tic mokierte und sich doch dazu herabließ, ihm einiges auf dem Klavier vorzuspielen. Goethe war schwer beeindruckt, wenngleich ihm die Musik ein wenig zu laut und leidenschaftlich war. Er habe noch nie eine so gnadenlose Künstlernatur erlebt, äußerte er später. Man wechselte auch ein paar Briefe, doch es blieb beim höflichen Umgang. Zelter konnte aufatmen.
    1820 war Goethe von Karlsbad ins neu gegründete Marienbad hinübergefahren, das seine große Zeit noch vor sich hatte.
Mir war es,
schrieb er an Karl August,
als befänd ich mich in den nordamerikanischen Wäldern, wo man in drei jahren eine Stadt baut
. Der entstehende Ort galt als günstige Kapitalanlage. Der Zudrang

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