Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Für beide Seiten ein feierlicher Moment. Cotta rechnete ihn zu den »wichtigsten Ereignissen« seines Lebens, und Goethe schrieb ihm:
Da sich die Beruhigung zu der unser Geist gelangt nicht mit Worten und Zeichen ausdrücken läßt, so erlaube ich mir Ew. Hochwohlgeb. im Allgemeinen das Höchstbedeutende zu sagen: daß ich seit Jahren erst in diesen Stunden eine wahrhafte Zufriedenheit empfinde wo ich gewiß bin daß die Resultate meiner literarischen Tätigkeit in Ihre Hände gelegt sind; ein gültigeres Zeugnis wechselseitigen Vertrauens konnte nicht gegeben werden. Schritt für Schritt wird sich dartun daß ich kein ander Geschäft mehr habe als diese Ergebnisse meines Lebens uns beiderseitig zu Ehr und Vorteil abzuschließen.
Um dieses
Geschäft
zu bewältigen, nämlich die schriftstellerischen
Ergebnisse
eines ganzen Lebens zu sammeln, zu sichten, zu ordnen und druckfertig zu machen, hatte Goethe einen Stab von Mitarbeitern gewonnen. Da war unter anderen Johannes John, der als Schreiber und Kopist nützliche Dienste tat; Johann Christian Schuchardt, der Goethes Papiere archivierte und umfangreiche Register erstellte. Dazu gehörte auch der altbewährte Johann Heinrich Meyer, der »Kunst-Meyer«, der die Textrevision der kunsthistorischen Schriften besorgte; Frédéric Soret, Erzieher am Weimarer Hof, widmete sich als gelernter Theologe und praktizierender Naturforscher der Herausgabe naturwissenschaftlicher Schriften, und war sonst auch ein wichtiger Gesprächspartner der letzten Jahre. Seit 1819 war auch Friedrich Wilhelm Riemer wieder zu dem Mitarbeiterkreis gestoßen, nachdem es in den Jahren zuvor wegen des Sohnes, den er eine Weile lang unterrichtet hatte, zu einem Zerwürfnis gekommen war. Der Gymnasialprofessor, Bibliothekar und Schriftsteller Riemer war mit seinen enzyklopädischen Kenntnissen unentbehrlich, er bewährte sich als wandelndes Lexikon in philologischen und kulturgeschichtlichen Fragen. Er beriet Goethe vor allem bei der Arbeit am zweiten Teil des »Faust«.
An der Spitze dieses Mitarbeiterstabes aber stand seit 1824 Johann Peter Eckermann. Er stammte aus ärmlichsten Verhältnissen und hatte es immerhin bis zum Posten eines Registrators in der Militärverwaltung von Hannover gebracht. Die literarische Bildung, auf die es ihm vor allem ankam, hatte er sich weitgehend autodidaktisch erworben. Sein großes Vorbild war Goethe, er hatte alles von ihm gelesen, dessen er habhaft werden konnte, und kannte es in- und auswendig. Er wollte Schriftsteller werden, einige Gedichte konnte er vorweisen und eine poetologische Abhandlung über Goethe. Dafür suchte er einen Verlag. Der sonst schüchterne junge Mann war kühn genug, bei Goethe vorzusprechen und ihn um Vermittlung zu bitten. Das war am 10. Juni 1823. Goethe spürte sogleich, daß sich mit diesem Bewunderer etwas anfangen ließ. Tags darauf schickte er Cotta die Abhandlung Eckermanns mit der Bemerkung, der junge Mann flöße ihm
viel Zutrauen
ein und er beabsichtige,
ihn mit gewissen Vorarbeiten zu beschäftigen
.
Eckermann war jäh ans Ziel seiner Wünsche gelangt. Goethe nahm sich seiner an, vermittelte ihm eine Wohnung, noch ehe dieser überhaupt die Absicht zu bleiben geäußert hatte, er lobte dessen Gedichte und die Abhandlung und gab ihm den ersten Auftrag: Er solle Goethes anonym verfaßte Rezensionen aus den Bänden der »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« von 1772 und 1773 zusammenstellen. Eckermann widmete von diesem Tag an seine ganze Arbeitskraft für viele Jahre Goethe, der ihn ins Vertrauen zog, mit Anerkennung und Lob verwöhnte und ihn doch schlecht honorierte. Eckermann mußte Privatstunden geben, lebte in kümmerlichen Wohnverhältnissen und hielt die Verlobte jahrelang hin, weil das Geld, das Goethe ihm gab, bei weitem nicht für die Gründung eines Hausstands reichte. Goethe hielt ihn knapp, verschaffte ihm aber einen Ehrendoktor in Jena und beriet ihn bei der Haartracht, der Kleidung und dem äußeren Auftreten. Der Doktor Eckermann sollte präsentabel sein und überhaupt eine gute Figur machen. Ganz gelang das zwar nicht. Etwas Beflissenes und Engbrüstiges blieb ihm, allerdings nur Goethe gegenüber. Sonst aber gab er sich selbstbewußt. Er wußte, daß die Bedeutung, die er für Goethe besaß, die der anderen Mitarbeiter übertraf. Goethe hielt so große Stücke auf ihn, daß er ihm zusammen mit Riemer die Verantwortung für die Herausgabe des Nachlasses übertrug. Eckermanns größtes Verdienst war es, daß er
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