Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Doch es hatte inzwischen Ärger gegeben, das Vertrauen zwischen Autor und Verleger war durch Cottas Schuld beeinträchtigt worden.
Beim letzten Aufenthalt in Karlsbad im Sommer 1823 hatte Goethe in einer Buchhandlung eine in Wien verlegte sogenannte »Original Ausgabe« seiner Werke entdeckt, von der er keine Kenntnis hatte. Doch es handelte sich dabei nicht um einen der üblichen Raubdrucke, sondern um einen von Cotta selbst, wie er später zerknirscht zugeben mußte, veranlaßten Nachdruck, der die Raubdrucker aus dem Felde schlagen sollte. Cotta hatte Goethe davon nicht unterrichtet und ihm auch kein zusätzliches Honorar gezahlt. Er hatte sich entschuldigt und gewundene Erklärungen abgegeben, und Goethe hatte ihn einige Monate ohne Antwort gelassen. Dann schreibt er endlich am 14. Januar 1824, die Angelegenheit habe in ihm wieder die
schmerzlichen Gefühle
geweckt, an die
ein deutscher Autor Zeit seines Lebens nur allzuoft erinnert wird
. Wer sonst im Leben fleißig sei, erhalte seinen Lohn, nicht so ein Autor, der sich um die
Bildung
〈...〉
des Vaterlandes
verdient gemacht hat und nun
sich auf mannigfaltige Weise verletzt und um die billige Belohnung seiner unausgesetzten Arbeit getäuscht sehen
muß.
Ein Schriftstellerleben lang hatte sich Goethe mit den Raub-und Nachdruckern herumschlagen müssen, bisher ohne Erfolg. Für die Ausgabe letzter Hand setzt er nun alle Hebel in Bewegung, um diesem Unwesen ein Ende zu setzen, wenigstens in seinem Falle. Er geht mit solcher Entschiedenheit vor, daß man den Eindruck gewinnt, er wolle gegen Ende seiner schriftstellerischen Laufbahn endlich das wirkliche Gewicht seiner öffentlichen Bedeutung testen. Er berät sich mit seinem einflußreichen Freund Reinhard. Er läßt seine Verbindungen in die politische Welt spielen, schreibt an Minister und Gesandten, zum Beispiel an Metternich, doch auch an die gekrönten Häupter persönlich, betont seine Verdienste um das Geistesleben in Deutschland und erklärt an hoher und höchster Stelle, wer Goethe ist und warum man ihm den urheberrechtlichen Schutz seiner Werke gewähren sollte.
Das Jahr 1825 steht ganz im Zeichen dieser Bemühungen, zuerst den Deutschen Bund in Frankfurt und dann, da der in solcher Angelegenheit nicht zuständig ist, die neununddreißig Einzelstaaten dafür zu gewinnen, ihm jenes
Privilegium
zu gewähren, das die Ausgabe letzter Hand gegen Nachdrucke schützt. Und er wird Erfolg haben und damit der erste Autor in Deutschland sein, der, noch ehe das Urheberrecht für alle gilt, für seine Werke einen Urheberschutz bekommt. Goethe argumentiert in seinen zahlreichen Einlassungen stets in eigener Sache, verweist aber auch immer auf das
für die ganze deutsche Literatur bedeutende Geschäft
, so im Schreiben an die Deutsche Bundesversammlung in Frankfurt.
Als im Januar 1826 schließlich von allen Mitgliedern des Deutschen Bundes die Gewährung des Privilegs vorlag, empfand er das als das siegreiche Ende einer Schlacht, die ihn ein ganzes Jahr
im Atem erhalten
hat. Das
Privilegium
selbst bedeutete ihm so viel wie der
beste Orden
. Es war auch finanziell sehr attraktiv, für den künftigen Verleger ebenso wie für den Autor.
Die Nachricht von der Privilegierung der Ausgabe letzter Hand war das Gesprächsthema auf der Leipziger Buchmesse 1826. Was in den folgenden Monaten geschah, glich fast einer Auktion. Sechsunddreißig Verlage machten ein Angebot, das höchste kam von einem Verlag aus Hannover und belief sich auf 118 000 Taler.
Goethe blieb mit Cotta in Verhandlung, unterrichtete ihn aber genüßlich über seinen exorbitanten Marktwert. Das Mißtrauen in Folge der Wiener Nachdruckangelegenheit war noch nicht ganz verschwunden. Er ließ Cotta, der selbstverständlich dringendes Interesse signalisierte, eine Weile lang zappeln, und Cotta seinerseits verzichtete darauf, seine Option auf den Erwerb einer künftigen Ausgabe auszuspielen. Er wollte Goethe nicht zusätzlich verärgern. Teils führte der Sohn August, teils Goethe selbst die Verhandlungen. August wollte dem höchsten Angebot den Zuschlag geben, Goethe aber empfand doch einige Loyalität Cotta gegenüber, dem bisherigen Verleger, der sich ja sonst sehr anständig verhalten hatte und außerdem als Schillers Verleger bei Goethe eine besondere Reputation genoß. Man einigte sich schließlich, unter tätiger Mithilfe von Sulpiz Boisserée und nach einigen Mißhelligkeiten, im Februar 1826 auf einen Verlagsvertrag über die Summe von 60 000 Talern.
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