Goethe war’s nicht
wie Hollywood kurz vor der Verkündung der Oscar-Preisträger, nur weniger geschminkt.
Herr Schweitzer, der alte Fuchs, runzelte die Stirn und ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor er mit den Worten rausrückte. „Na ja, Schmidt-Schmitt ist nicht ganz billig. Um ehrlich zu sein, ist er so ziemlich der Teuerste, was seinen Tagessatz angeht.“
Das war selbstverständlich alles gelogen, denn Schmidt-Schmitt war weder Detektiv noch hatte er mit Tagessätzen zu tun. Schmidt-Schmitt bekam seine Kohle vom Staat, denn er war Oberkommissar bei der Frankfurter Kripo. Aber, und das entsprach ausnahmsweise der Wahrheit, mit allen Wassern gewaschen. Was er auch anpackte, hatte Hand und Fuß. Nach rein fachlichem Ermessen hätte er schon längst Leiter der Mordkommission oder einer anderen Abteilung sein müssen, aber Schmidt-Schmitt war ein bisschen wie Herr Schweitzer. Er konnte mit seiner Meinung nur selten hinterm Berg halten, immerfort eckte er irgendwo an. Meistens bei den Vorgesetzten. Aber darauf pfiff Schmidt-Schmitt von je her. Karriere war für ihn etwas für Arschkriecher und Schleimer, die nicht anders konnten, weil Kinder zu ernähren und Raten fürs Reihenhäuschen abzustottern waren. Oder einfach nur der Karriereleiter wegen. Schmidt-Schmitt war solo und nur für sich selbst verantwortlich. Und das, was der Volksmund unter einem Charakterkopf versteht. Herr Schweitzer hatte in der Vergangenheit schon mehrmals mit ihm zusammengearbeitet und als Team hatten sie hervorragend harmoniert. So gut wie Starsky und Hutch oder Ballauf und Schenk.
„Dann rufen Sie bitte diesen Schmidt-Schmitt an. Er soll sofort herkommen.“
Hatte er eben ein Bitte vernommen? Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Herr Schweitzer ließ sich das nicht zwei Mal sagen. „Hoffentlich weilt er gerade in Frankfurt. Schmidt-Schmitt hat Klienten rund um den Globus. Ein gefragter Mann, mein Kumpel.“ Auch er wusste sich nämlich in Szene zu setzen. Fornet sollte ja nicht denken, er sei hier der einzige Schaumschläger. Herr Schweitzer hatte nämlich auch so einiges zu bieten, wenn’s drauf ankam. Er zog sein Handy aus der Hemdtasche. „Ich gehe mal eben nach draußen. Telefonieren.“
Er wartete auf einen Einspruch seitens des Bankers. Der aber kam nicht. Bevor sich Herr Schweitzer umdrehte, hauchte er Maria noch einen Kuss zu. Der Held hatte zu arbeiten. Wenn alles klappt, bin ich in einem Jahr zurück vom Nordpol. Tschö, ich muss meine Pflicht erfüllen, die Bundeskanzlerin baut auf mich.
Noch ein Wunder. Schmidt-Schmitt ging beim ersten Klingeln dran, so als habe er geradewegs auf seinen Anruf gewartet. „Hallo, Simon. Wie geht’s, wie steht’s? Ja, 20 Uhr im Weinfaß könnte hinhauen. Wir müssen nur noch diese Razzia hinter uns bringen. Dann besaufen wir uns mal wieder so richtig, dass die Schwarte kracht. Hab danach nämlich ein paar Tage lang Überstunden abzufeiern.“
Herr Schweitzer war auf alles eingestellt gewesen, doch diese Eröffnung brachte ihn vorübergehend aus dem Konzept. „Äh, Razzia?“
„Ja, erzähle ich dir heute Abend.“
„Mischa?“
„Ja, was ist los? Deine Stimme klingt so belegt. Ist was?“
Herr Schweitzer schüttelte sich kurz, dann hatte er sich wieder gefangen. Er babbelte und babbelte, als wolle er den Gilgamesh-Epos übertrumpfen. Er, Mischa, habe gerade einen fürchterlichen Schwächeanfall, Stresssymptome ohne Ende, Magenkrämpfe, Schweißausbrüche und weiß der Teufel, was nicht alles noch. Es gehe um Leben und Tod. Nein, er, Herr Schweitzer, übertreibe kein bisschen. Habe er übrigens noch nie, das sei ihm absolut wesensfremd, schließlich sei er ein ernsthafter Mensch, zumindest dann, wenn andere Leute in akuter Lebensgefahr schweben. Er brauche ihn jetzt! Nein, jetzt gleich! Noch nie im Leben habe er jemanden mehr gebraucht als ihn, und zwar sofort – Maria vielleicht mal ausgenommen. Und er, Mischa, solle die Razzia gefälligst seinen Kollegen überlassen, andernfalls würde er seine eigenen Ideale verraten. Die Kollegen schaffen das auch ohne ihn. Sicher das. Diese Razzia, da stehe sicherlich niemandes Leben auf dem Spiel. Hier aber schon. Und wie! „Also, was ist?“
Der Oberkommissar begriff, dass es sein Kumpel so ernst meinte, wie er es schilderte. „Okay, Simon. Ich glaube, ich hab gerade einen Magendurchbruch. Nur eine Frage der Zeit, bis mir das Blut aus dem Mund quillt.“
„Geht doch. Ich hol dich ab. Wo bist du?“
„Im Präsidium. Aber ich kann auch mit dem
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