Goethe war’s nicht
zufällig auf der Straße über den Weg liefen. Aber ein Rasta hier auf dem Sachsenhäuser Berg war ungefähr so Aufsehen erregend wie Brad Pitt bei den Obdachlosen im Ostpark.
Fornet legte die Stirn in Falten und überlegte kurz. „Ja, stimmt. Gil kam gestern, kurz nachdem Sie gegangen sind.“
„Wann haben Sie Ihren Sohn das letzte Mal gesehen?“, fragte Herr Schweitzer.
„Gestern, so gegen acht. Gil war auf der Abschiedsparty von seinem Freund Linus. Der wohnt ein paar Häuser weiter. Die Familie Stranz ist heute mit dem Wohnmobil nach Skandinavien aufgebrochen. Nach Hause gekommen ist Gil nicht. Sein Bett war noch unberührt.“
Herr Schweitzer wunderte sich, wie jemand zu dieser Jahreszeit nach Norden in den Urlaub aufbrechen konnte. Aber es soll ja auch Menschen geben, die es toll finden, im Schnee zu zelten. Also schwieg er.
Der Oberkommissar: „Ich gehe mal davon aus, dass Sie als Erstes dort angerufen haben, nachdem Sie den Brief gelesen haben.“
„Selbstredend, aber es ging keiner ran. Wie auch, die sind ja im Urlaub.“
Herr Schweitzer übernahm: „Also auf dem Festnetz. Und Handy?“
„Haben die nicht, hat Gil mir gesagt. Die Stranzens sollen die Dinger hassen wie die Pest.“
„Schade“, bemerkte der Sachsenhäuser Detektiv. „Hätte vielleicht hilfreich sein können, wenn wir wüssten, wann genau Gil die Party verlassen hat.“
„Ja, das habe ich mir auch schon überlegt. Leider weiß ich auch nicht, wohin genau die Stranzens unterwegs sind.“
Schmidt-Schmitt: „Okay, hätten wir das auch geklärt. Weiter im Text. Stehen Sie im Telefonbuch?“
„Nein. Sollte ich?“
„Sie sollen gar nichts. Die Entführer werden Sie um 15 Uhr anrufen. Woher haben die also Ihre Nummer? Und halten Sie bitte auch Ihr Handy bereit. Noch wissen wir nicht, auf welchem Gerät der Anruf erfolgen wird.“
Obwohl er seinen Kumpel nun schon ein paar Jährchen kannte, so war Herr Schweitzer doch immer wieder ob dessen rascher Auffassungsgabe erstaunt. Er selbst war jedoch auch nicht ganz ohne: „Sie haben 420.000 auf dem Sparkonto und die Kidnapper verlangen 450.000. Das ist möglicherweise kein Zufall. Wer also weiß alles von Ihrem Guthaben?“
„Lassen Sie mich kurz nachdenken. Nun, alle, die bei der Bank von Berufs wegen damit zu tun haben. Und dann … nein, glaube ich nicht. Fabiana interessiert sich nicht für meine monetären Angelegenheiten. Das hat sie stets alles mir überlassen.“
„Also nur die von der Teutonischen Staatsbank?“, vergewisserte sich der Oberkommissar.
Nach einigem Zögern: „Ja, müsste so sein.“
Schmidt-Schmitt: „Bitte denken Sie noch mal genau nach. Es ist überaus wichtig. Jeder Hinweis, und scheint er noch so unbedeutend, könnte uns weiterbringen.“
Der Banker schüttelte den Kopf. Erst unsicher, dann immer vehementer. „Nein, ganz sicher. Niemand sonst.“
„Wo bewahren Sie Ihr Sparbuch auf? Hier oder im Büro?“
„Ich habe eine Sparcard, kein Sparbuch. Klassische Sparbücher sind heute nicht mehr üblich. Und die Sparcard steckt immer in meinem Portemonnaie.“
Der Oberkommissar notierte sich alles. „Gut. Das hätten wir. Weiter. Besitzen Sie Aktien?“
„Warum wollen Sie das wissen?“
Schmidt-Schmitt spielte seine Rolle exzellent. Theatralisch seufzte er. Als spräche er mit einem Kleinkind, das man davon überzeugen musste, keine Hände auf eine angeschaltete Herdplatte zu legen, weil es ansonsten an den Patschepfötchen aua macht: „Lieber Herr Fornet. Ich mache diesen Scheiß nun schon ein paar Jahre. Sie können getrost davon ausgehen, dass meine Fragen einen Zweck haben. Aber ich will es Ihnen erklären. Es wäre nicht das erste Mal, dass Lösegeldforderungen erhöht werden. Das sollte selbst Ihnen klar sein. Also muss ich wissen, wie hoch Ihr Spielraum ist. Verstanden?“
Ein ziemlich kleinlauter Banker: „Ja, natürlich. Entschuldigen Sie. Ich, äh, ich bin wohl ein bisschen mit der Situation überfordert.“
„Kann ich verstehen. Doch dafür haben Sie uns ja engagiert. Also, Aktien, Wert, in Euro.“
„Das müssten noch mal so 100.000 sein. Circa. Aktien schwanken ja.“
„Weiß ich. Das Haus!“
„Was ist damit?“
„Abbezahlt oder belastet? Könnten Sie zur Not eine Hypothek aufnehmen?“
„Bar bezahlt, als wir vor drei Jahren hier eingezogen sind. Ja, ich könnte es beleihen.“
„Wert der Immobilie?“
„Wir haben damals eine halbe Million bezahlt. Der Wert müsste inzwischen gestiegen sein. Sie wissen ja
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