Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
Vom Netzwerk:
misslichen Lage befreien könne. Oder der Banker selbst erscheint hier irgendwo aus dem Dunkeln. Vielleicht gefesselt und mit verbundenen Augen. Instinktiv suchte Herr Schweitzer die Umgebung ab. Keine Menschenseele zu sehen. Ein kleiner Kastenwagen? So einer, aus dem auch Gilberto bei seiner Freilassung hinausgeworfen wurde? Doch außer ein paar PKWs parkten keine Fahrzeuge in der Nähe. Schon gar keine mit einem entsprechenden Laderaum.
    Zwei Minuten nach drei herrschte noch immer gespenstische Ruhe rund um den Taxiplatz. Das Handy blieb stumm. Der Regen hatte an Fahrt aufgenommen und Herr Schweitzer war gezwungen, den Fensterspalt, den er wegen der Frischluft offen gelassen hatte, wieder zu schließen. Sein Grinsen war breiter geworden. Die Wahrscheinlichkeit rückte näher, sich schon bald mit aller Wucht ins Bett schmeißen zu können. Voller Vorfreude kuschelte er sich schon mal in seine gefütterte Lederjacke.
    Drei Uhr drei – alles wie gehabt.
    Drei Uhr vier – eine schwarze Katze erschien auf dem Mäuerchen, das einst den Garten des erdgeschossigen Lokals im Henninger-Turm begrenzte. Hier hatte er auch schon gesessen, Kaffee geschlürft und Kuchen in sich hineingeschaufelt. Damals, vor langer, langer Zeit, als der Henninger-Turm noch nicht wegen Baufälligkeit geschlossen war. Herr Schweitzer versuchte, durch Klopfzeichen an die Windschutzscheibe auf sich aufmerksam zu machen.
    Das Kätzchen drehte den Kopf nach rechts und verschwand dann mit einem beherzten Sprung zwischen der angrenzenden Ligusterhecke und einem moosbewachsenen marmornen Blumenkübel, wohl ein Überbleibsel besserer Zeiten.
    Scheinwerfer! Herr Schweitzer war für einen kurzen Augenblick überrascht, als er das Taxi im Schritttempo an sich vorbeifahren sah. Er glaubte sogar zu erkennen, dass ihn der Fahrer interessiert musterte. Dann fiel ihm aber ein, wo er stand und dass er dort eigentlich nichts zu suchen hatte. Hoffentlich steigt der jetzt nicht aus, überlegte Herr Schweitzer, und fordert mich zum Weiterfahren auf, weil der Platz ja ausschließlich für Taxen reserviert war. Solche Paragrafenreiter soll’s ja geben, auch wenn er um diese Uhrzeit hier keinen störte. Es hätten locker noch drei weitere Taxen vor ihm Aufstellung nehmen können.
    Das Taxi blinkte und fuhr rechts ran. Aber nicht ganz nach vorne, wie es sich gehört hätte. Dann stieg der Fahrer aus.
    Oh nein, fuhr es Herrn Schweitzer durch den Kopf. Sollten sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten und es sich tatsächlich um einen dieser vermaledeiten Erbsenzähler handeln? Innerlich rüstete er schon mal auf und schärfte die Klingen. Dem werde ich was erzählen! Soll der Arsch mir nur blöd kommen! Aber nein, Simon, reg dich nicht auf, redete sich Herr Schweitzer gut zu. Du hast hier einen wichtigen Auftrag zu erfüllen und den wollen wir doch nicht durch unüberlegtes Handeln gefährden. Gelle, Simon?!
    Er atmete zwei Mal tief durch, während sich der Fahrer näherte.
    Lässig drückte er den Knopf für den automatischen Fensterheber. Nichts tat sich. Depp! Erst den Zündschlüssel drehen! Danach: „Ja, Sie wünschen? Ich weiß, ich stehe hier verkehrswidrig. Ich bin aber gleich wieder weg, meine Frau vergräbt hier im Garten nebenan noch schnell die Leiche ihrer Schwiegermutter, meiner Mutter also …“
    Wie vom Blitz getroffen versteifte sich der Mann, Mitte dreißig vielleicht, glatt rasiert, winzige Lachfältchen in den Augenwinkeln und dunkle Locken unter einer schwarzen Baskenmütze. Angenehme Stimme: „Äh, okay. Wenn das so ist, kann ich Ihnen vielleicht helfen? Ist die Leiche schwergewichtig? Ich packe gerne mit an. Sie sollten mein Angebot annehmen, um diese Uhrzeit werden Sie schwer anderweitig Hilfe bekommen.“
    Und Humor hat er auch, dachte Herr Schweitzer.
    „Sie sind nicht zufällig der Herr Bulle mit dem Koffer, der nach Hofheim möchte? Ein solcher Fahrgast soll nämlich hier in einem Auto auf mich warten. Hat mir zumindest die Zentrale übermittelt. Na ja, bin wohl fünf Minuten zu spät dran. Sorry, hab mir an der Tanke noch eine Tafel Schokolade gekauft.“
    Koffer ja, überlegte Herr Schweitzer. Nach Hofheim, das weiß ich doch nicht. Und Herr Bulle? Er hatte so seinen Schaff mit der Realität, wo er sich gedanklich doch längst an Marias Schulter gebettet hatte. Aber da fiel ihm zum Glück noch ein, dass die Entführer ja ausdrücklich den dicken Bullen –
Herr Bulle
, also – angefordert hatten. Es sah schwer danach aus, dass

Weitere Kostenlose Bücher