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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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die Entführer das Taxi für ihn bestellt hatten. „Äh, hat die Zentrale Ihnen auch gesagt, wo genau es in Hofheim hingeht? Ich weiß es nämlich nicht.“
    „Steht auf meinem Display im Auto. Irgendeine Kirche, glaube ich, da soll der Trauergottesdienst stattfinden.“
    „Was für ein Trauergottesdienst?“, fragte Herr Schweitzer irritiert.
    „Na, der für Ihre Mutter. Oder wollen Sie die Dame ohne Gottes Segen begraben?“
    Ah, jetzt hatte er, Herr Schweitzer, es kapiert. „Ach so. Nein, ich bin nicht gottgläubig und um ganz ehrlich zu sein: Ich habe meinen Vater schon immer gehasst.“
    Nun war es am Taxifahrer, verdutzt aus der Wäsche zu gucken. Für ein paar Sekunden, bevor der Groschen fiel. „Gut, ich hab’s auch nicht so mit Religion. Wo ist denn der Koffer, im Kofferraum?“
    „Den trage ich“, beeilte sich Herr Schweitzer zu sagen. Er stieg aus, öffnete die hintere Tür und schnappte sich das Gepäckstück aus Kohlenfaserstoff. Gemeinsam gingen sie durch den Sprühregen zum Taxi.
    Bevor Herr Schweitzer einstieg, fiel ihm noch was ein: „Äh, meinen Wagen, kann ich den dort stehen lassen?“
    „Puh. Denke schon, wenn Sie bis morgen Nachmittag zurück sind. Da gehen hier dann des Öfteren einige Aufträge raus. Die Firma Ferrero dort vorne, zum Beispiel.“
    „Klar, bis dahin bin ich zurück“, bemerkte Herr Schweitzer leichthin. Und wenn nicht, so fügte er im Geiste hinzu, dann bin ich mausetot. Entweder kümmern sich die Bullen dann ums Auto oder es wird abgeschleppt. Aber einen toten Simon Schweitzer interessiert das nicht die Bohne, fügte er trotzig hinzu.
    „Chinonplatz.“
    „Bitte?“
    „Chinonplatz, da fahren wir hin. So steht es auf dem Display. Komische Uhrzeit für eine Geschäftsfahrt.“
    „Finde ich auch. Aber wir internationalen Waffenhändler arbeiten nun mal am liebsten jenseits des Tageslichts.“
    „Logo, versteh ich“, bemerkte der Fahrer süffisant zu seinem Gast, der auf der Rückbank Platz genommen hatte und eine Hand auf den Koffer presste, als könne er bei zu hoher Geschwindigkeit aus dem Fahrzeug geweht werden. „Und im Koffer? Waffen, stimmt’s? Knarren oder Handgranaten?“
    „Nix von beidem. Schalldämpfer aus Schweden“, spielte Herr Schweitzer weiter den Bösewicht. „Man sollte die Schweden nicht unterschätzen. Machen zwar immer einen auf Sozialstaat, aber bei Waffenexporten liegen die an vorderster Front.“
    „Ich fahre über den Messeturm auf die Autobahn, okay?“
    „Okay.“
    „Musik?“
    „Gerne. Vielleicht Klassik, wenn Sie was finden.“
    „Höre ich nachts auch ganz gerne. Passt irgendwie besser zur Melancholie der Stadt.“
    „Ja, so ist es.“
    Hofheim, überlegte Herr Schweitzer, während das Taxi auf Grün wartete, um nach links in die Mörfelder Landstraße einzubiegen. Wo liegt das genau? Schon seit er denken konnte, verwechselte er ständig die diversen Taunus-Gemeinden. Er wusste auf Anhieb nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob er je einen Fuß nach Hofheim gesetzt hatte. Außerdem gab es da noch ein Hochheim, ebenfalls irgendwie in der groben Richtung nach Westen. Herr Schweitzer orientierte sich meist an den blauen Autobahnschildern, wenn er mit Maria mal in den Taunus fuhr. Meist zum Spazieren – Wandern wäre etwas übertrieben, bei maximal vier, im Schlenderschritt zurückgelegten Kilometern die Stunde –, aber auch das nur maximal ein Mal im Jahr. Ihm kam eine Idee: „Wie lange brauchen wir bis dorthin?“
    „Hm, um diese Zeit höchstens fünfundzwanzig Minuten, eher zwanzig. Im Berufsverkehr kann’s auch schon mal eine Dreiviertelstunde dauern. Richtung Wiesbaden ist meist die Hölle los.“
    „Danke.“ Das deckt sich mit Gils Zeitangabe bei dessen Entführung, überlegte Herr Schweitzer. Ob dieses Hofheim wohl die Schaltzentrale der Entführer ist? Gut möglich – nihil fit sine causa sufficiante!
    Als sie in die Schweizer Straße einbogen, kam ihm der unerquickliche Gedanke, diese seine Eindrücke von einem nächtlichen, verregneten und menschenleeren Sachsenhausen könnten die letzten von seinem über alles geliebten Stadtteil sein. Immerhin hatte er fünf Millionen bei sich. Er wollte partout nicht wissen, wieviel Prozent der Bevölkerung ihn deswegen kaltblütig abmurksen würde. Seine Augen saugten plötzlich ganz andere Details auf als sonst, wenn er hier entlanglief. Da war er in der Regel auf ein Ziel fixiert, sei es ein Laden zum Einkaufen, sei es eine Lokalität, um sich kulinarisch oder anderweitig

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