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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Herr Schweitzer drehte sich einmal um die eigene Achse. „Ich euch aber nicht.“
    „Infrarot. Schon mal was davon gehört? Geh einfach unauffällig weiter. Viel Glück.“
    Der hat gut reden, dachte sich Herr Schweitzer. Einfach weitergehen. Bei dieser Dunkelheit. Kaum zu Ende gedacht, trat er auch schon in ein Schlammloch. „Verfluchte ...“, fluchte Herr Schweitzer unvollendet – seine gute Kinderstube! Er spürte Nässe in seine Schuhe dringen, schloss die Augen und zählte bis dreißig. Ein alter Indianertrick.
    Als er die Augen wieder öffnete, war die Nacht nicht mehr ganz so dunkel und er konnte zumindest die Umrisse des Weges, der vor ihm lag, erkennen. Und wenn Herr Schweitzer seine Augen verengte, so waren sogar die Pfützen auszumachen. Den Blick stur nach unten gerichtet, setzte er sich wieder in Bewegung.
    Bald tauchte linker Hand das Hotel auf. Es sah verlassen aus, hatte seine besten Zeiten wohl schon hinter sich. Kein Licht brannte in dem Haus und eine kleine altersschwache Laterne beleuchtete nur unzureichend die paar Quadratmeter im Umkreis. Laut Plan, den sich Herr Schweitzer gut eingeprägt hatte, müsste vor ihm bald eine rot-weiße Schranke erscheinen.
    So war es auch. Er umging das Hindernis. Nach weiteren zwanzig Metern hatte er sein Ziel erreicht. Eine hölzerne Bank mit einem dicken Baum dahinter. Dort sollte er den Geldkoffer deponieren.
    Herr Schweitzer atmete ein paar Mal kräftig durch, dann trennte er sich von den fünf Millionen. Zur Sicherheit schaufelte er mit seinen Händen noch ein wenig Laub zusammen und verteilte es grob auf dem Gepäckstück. Man weiß ja nie. Nicht dass jetzt noch ein völlig irrer Jogger mit um die Stirn gebundener Grubenlampe seine allnächtlichen Olympiavorbereitungen absolvierte und sich das gute Stück unter den Nagel riss. Natürlich war Herrn Schweitzer klar, dass diese Eventualität völlig aus der Luft gegriffen war, aber man hat ja schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen.
    Zu Schmidt-Schmitt übers Handy: „Hallo, Mischa, ihr seht mich immer noch?“
    „Yeap. Du bist ganz schön rot.“
    „Besser als infrablau. Ich gehe jetzt zurück, okay?!“
    „Liegt da keine Nachricht rum? Kuno Fornet oder so ...“
    Im selben Augenblick ging auf dem bösen Telefon eine Nachricht ein. „Moment, die Entführer melden sich gerade.“
    Herr Schweitzer las seinem Kumpel die Nachricht vor: „Nachher Brief mit Post. Dort steht, wo K. Fornet versteckt ist. Danke für das Geld“, und: „Du, Mischa.“
    „Yeap.“
    Herr Schweitzer: „Kann man den Brief nicht jetzt schon aufspüren? Ihr habt doch genügend Leute zur Verfügung.“
    „Schlauberger. Was glaubst du, was wir gleich veranlassen werden?! Und jetzt mach, dass du da wegkommst, bevor noch irgendwer einen Schuss auf dich abfeuert.“
    Das ließ sich Herr Schweitzer nicht zweimal sagen. Schüsse brachten ihn immer so aus dem seelischen Gleichgewicht. Im Gehen hörte er Mischa noch sagen: „Wir lesen dich auf, sobald du wieder die asphaltierte Straße erreicht hast.“
    „Okay.“
    Es lag nicht nur daran, dass er keinen schweren Koffer mehr zu schleppen hatte, aber Herr Schweitzer erhöhte plötzlich die Schrittintervalle, als wäre er nun derjenige, der für Olympia trainierte. Vorsicht ist die Mutter aller Porzellankisten, murmelte er vor sich hin und legte einen weiteren Zahn zu. Seine natürliche Neigung, Pfützen zu umgehen, schob er beiseite. Schon kurz hinter der Schranke waren seine Hosenbeine pitschenass. Auch ohne Angoraunterwäsche hätte er nicht gefroren, so reichlich pumpte das Adrenalin in seinen Adern.
    Das Hotel rauschte nur so an ihm vorbei. Wie ein Mückenschwarm wurde er vom Geborgenheit verheißenden Licht der ersten Straßenlaterne angezogen. Sein Herz leistete Schwerstarbeit wie seit langem nicht.
    Erst kurz vorm Dixi-Klo verfiel Herr Schweitzer wieder in einen Schrittrhythmus, der bei möglichen Augenzeugen nicht sofort den Verdacht aufkeimen ließ, es hier eventuell mit einem Kapitalverbrecher auf der Flucht zu tun zu haben, hinter dem gerade sämtliche europäische Polizeieinheiten her waren.
    Kein schwarzer BMW wartete am Straßenrand, um ihn aufzulesen. Lag es an der reichlichen Zufuhr seines Hirns mit Sauerstoff, dass ihm plötzlich derselbe Gedanke wie vorhin an dieser Stelle durch den Kopf schoss, oder war es der Anblick des hellblauen Dixi-Klos, der ihn abrupt innehalten ließ? Jedenfalls weiteten sich seine Augen auf die Größe einer alten 5-DM-Münze und er

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