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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Armbanduhr: fünf durch. Immerhin hatte es zu regnen aufgehört. Auch der Wind der letzten Tage war nur mehr ein laues Lüftchen. Auch wenn er die Chance, Kuno Fornet im Stranz-Haus ausfindig zu machen, als eher gering einstufte, so musste er sich doch einen Ruck geben. Nachts klingelte er ungern Leute aus dem Schlaf. Herr Schweitzer schwenkte nach links und besah sich das Gebäude, soweit es die Nacht zuließ. Es sah ziemlich neu aus. Der Garten gepflegt, als wohne dort ein Gärtner höchstselbst. Ein rostfreier, fast mannshoher Maschendrahtzaun umgab das Grundstück. Auch dieser wirkte wie gerade erst montiert. Neben dem Tor lugte aus einer Auslassung im Zaun einer jenen oben abgerundeten, länglichen und silbrigen Briefkästen, wie sie in den Staaten fast an jedem Haus und jeder Farm zu finden sind. In ausgestanzten Lettern war das Wort Mail zu lesen. Lediglich die Initialen V. K. wiesen auf den Besitzer hin. Was ihn aber vom Klingeln abhielt, war ein in der Auffahrt geparkter beigefarbener Porsche Cayenne. Nicht unbedingt das typische Rentnerauto.
    Herr Schweitzer probierte es rechts. Schon besser, dachte er, als er den verwitterten, an einigen Stellen mit Moos bewachsenen Holzzaun erblickte. Hier wache ich, las er auf einem gut sichtbaren, direkt an der aschgrau gestrichenen Garage angebrachten Keramikschild, dessen Farben größtenteils ausgeblichen waren, nur das Rot war standhaft geblieben. Ein stilisierter, nicht gerade Furcht verbreitender Hund Typ Promenadenmischung zierte das Kunstwerk, das Einbrecher eher einlud als abschreckte.
    „Was machen Sie da?“, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme hinter ihm.
    Der Sachsenhäuser Detektiv zuckte zusammen wie nach einem Stromschlag.
    „Ach, Sie sind das. Haben Sie das Problem mit dem Kunden lösen können?“
    „Eps, pff, nun ...“, stotterte sich Herr Schweitzer einen ab, während er sich umdrehte, erst der Dame ins Gesicht und dann auf den Gehweg schaute.
    „Lucky ist harmlos. Gelle, Lucky, schön brav! Der Herr tut dir nix.“
    Herrn Schweitzer fiel ein Stein vom Herzen. Die von ihm gesuchte Nachbarin stand vor ihm. Und mit ihr ein knurrender Köter, der in seiner Ahnenliste wohl auch eine Kanalratte führte.
    „Wenn ich nicht um spätestens fünf mit ihm Gassi gehe, pinkelt mir Lucky in den Flur. Sie ist schon ziemlich betagt, wissen Sie. Hunde sind da wie Menschen. Im Alter neigen sie zur Inkontinenz.“
    Instinktiv und völlig idiotisch senkte Herr Schweitzer seinen Blick auf den Schritt seiner schwarzen Stoffhose. Zum Glück trocken, dachte er.
    Allerdings hatten seine schlammgesprenkelten Hosenbeine Luckys Interesse geweckt. Als sich der Köter anschickte, ein Bein zu heben, wurde er von Frauchen mit einem kurzen Zug an der Leine von seinem Vorhaben abgehalten. „Lucky, nicht gut. Wo bleibt deine Erziehung?“
    Lucky gehorchte, setzte sich auf ihre Hinterpfoten und schaute blinzelnd zu Herrn Schweitzer hoch. Offenbar verstand die Hundedame nicht so recht, warum dieser korpulente, nach Wald duftende Herr ihr nicht als Reviermarkierung dienen sollte.
    Der Sachsenhäuser Detektiv straffte die Schultern und setzte noch einmal an: „Äh, entschuldigen Sie, aber Sie leeren doch den Briefkasten der Familie Stranz. Haben Sie zufällig auch die Wohnungsschlüssel?“
    „Ja, warum?“
    Jetzt wurd’s heikel. Sollte er mit der Tür ins Haus fallen? Der gemeine deutsche Rentner neigt eh schon mehr als nötig zur Paranoia. Doch Herr Schweitzer wäre nicht Herr Schweitzer, wenn ihm trotz Übernächtigung nicht noch ein subtilerer Umweg eingefallen wäre: „Wissen Sie zufällig, ob Gilberto Fornet, Linus’ Freund, auch Schlüssel für das Haus besitzt?“
    „Und ob! Erst gestern Abend war er hier gewesen. Die üben hier ja manchmal. Muss so gegen halb neun gewesen sein. Ich kam gerade mit Lucky von der letzten Runde zurück, als er herauskam. War noch so ein anderer Typ dabei, den ich aber vorher noch nie gesehen habe. Schätze nicht, dass der auch zur Häwi-Meddel-Combo von Linus gehört. Das waren immer andere Jungs. Glaube ich wenigstens, war ja schon dunkel. Und meine Augen, na ja, ohne Brille ...“
    Aha, dachte Herr Schweitzer, schau an, schau an. Und die hatten uns weismachen wollen, indisch essen zu gehen. Doch wie weiter? Er musste unbedingt in die Wohnung, schließlich passte auch diese gerade erfahrene Neuigkeit mit dem Wohnungsschlüssel wie die oder der Faust auf’n Goethe. Es schien, als könnte sich die zweite, eher subordinierte

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