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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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bloßen Erkenntnis, daß ihrer göttlichen Schönheit die göttliche Pflicht entspricht, den Würdigen, der ohne sie das letzte Licht nicht finden kann, zu erlösen, – daß sie nur deshalb, in selbstlosem Dienen, das Ungeheuerliche erfüllte! Denn wenn sie es nur aus Eitelkeit erfüllte, . . .«
    »Aus Eitelkeit?« Mitten aus dem Wahnsinn all der teuflisch verstrickenden Worte, aus dem eitelsten Zentrum ihrer eitelsten Kreise, brach die Stimme des Opfers. »Aus Eitelkeit? Niemals!«
    »Ja! So reden Sie!« – »Doch, Vater! Ich seh dich! Ich fühl dich! Empfange deinen entsetzten Blick! Aber laß mich, o, laß mich dieser lästernden Bewußtlosigkeit die Rache meines Spiels anhetzen! Laß mich!« »Weil die Kunst, die Sie tagtäglich wiederschaffen mit diesem Leibe, diesen Leib schon zum Diener des Höchsten gemacht hat. Weil Sie Künstlerin sind, Priesterin! Weihend den erhobenen Geist, das Geblüt vom Geblüte der Kunst, jedes Glied schon geadelt vom heiligenden Ziel, diesem Ziele! Und dennoch!« Zur Empörung, wie die gleichmäßig allgeduldige Flut des Meeres emporzischen muß in die Raserei des Sturms, der die Laster der Glätte, der Stille, des faulenden Friedens zerpeitsche, wuchs die peitschende Stimme. »Als ich Sie sah, die Pracht dieses Leibs im Flor der Schleier halb verhüllt, halb entblößt, halb im Spiel, halb Geschenk, der sündhaftesten Halbheit gehorchend, –o Miß Emma!« Daß sie in Beben zusammenschrack, drehte er um. »Ich sehe es nie wieder mir an! Niemals wieder! Entweder – oder!«
    »Aber bin ich denn« – wie die sonngeile Eidechse rang sich der Weibleib ihm nach –» wirklich so schön?«
    »Schweige!«
    »Worin unterscheide ich mich von anderen Frauen?«
    »Ich laß mich nicht quälen!«
    »Kann nicht auch die nächstbeste andere, die fehlerlos gewachsen ist, dieselbe Wirkung auslösen?«
    Scheinbar zur Sehne gespannt, die im nächsten Augenblick reißen muß, krümmte er sich. Ließ das Geländer los. Tat einen taumelnden Schritt nach rückwärts, den zweiten, den dritten.
    »Warum – fliehen Sie?«
    Geisterhaft schnell kam er zurück; so aber, als ob er schnell wieder gehen wollte. »Ich trage die Idee zu einem Werke in mir,« sagte er atemlos, »darin ich alles . . .«
    »Was: alles?« Hilflos hatte er ausgesetzt. »Was: alles?«
    Ohnmächtig, im Zweifel, rückte er das Haupt in die still schwebende Luft. »Ja, Vater! Die Sohlen deiner armen Schuhe aus Paris bäumen sich gegen die Wand des Sarges, in der zerfressenen Brust drin brennt noch die Hoffnung, daß dein Sohn dich fortsetze und erhalte; ein Quartband alle Jahre! Zwei noch lieber! O, ich seh dich, ich fühl dich! Ich hör dich, Vater! Aber laß mich noch einmal auf der Spitze dieses Heute meine Macht über die Zurückgebliebenen genießen, die ich habe, wenn ich will!« – »Alles«, fuhr er wie ganz allein plötzlich schwebend im furchtbar Zwiefachen von Chaos und Gesetz weiter, »was mir die Welt an Kampf und Lohn offenbaren mußte. Da grinst die Hölle, lächelt schuldlos der Himmel, krümmt sich buckelhaft die zwischen beide gesperrte Erde. Die aufgezwungene Halbheit zwischen gletscherhohem Streben und schachttiefster Ohnmacht, das Reißen an der Kette, Meutern gegen Mauern, die Niederlage jedes Lebens, das sich zur Spitze hin schindet, dann die skeptisch eisige Ergebung, – kurz und gut: alles, was gelitten wird, wenn gelebt wird, indem man Gott sein möchte und als Vieh verrecken muß, müßte kochen darin. Und weil man nun Gott nicht nur nicht sein, sondern nicht einmal sehen kann, müßte man wenigstens sehen – ein Weib! Das Weib aller Weiber! Und da wandre ich« – mit dem Irrsinn des bohrerscharfen Willens drehte er das Wort in den tollatmenden Frauenleib hinein – »seit Jahrzehnten durch die Gassen der Weiber, und finde es nicht! Finde Puppen, Larven, Masken, in jeder eingeschrieben, überm blöde gedrechselten Leibe, den pfaudummen Glauben, sie sei schön, – aber finde es nicht! Aber finde nun dich , – ja! du bist es! und lasse meinen Schrei ohne Schleier vor dir niederstürzen, und du sagst mir . . .«
    »Sagst mir: bin ich eine von der Straße?«
    »Strafst mit dem Blicke: Was gilt dir, Dichter, die Scham einer Frau?«
    »Hohnlächelst: was der Scham einer Frau der Dichter?«
    »Und folterst mich zuletzt mit der teuflischesten Qual aller Qualen: dem Zweifel, ob ich nicht etwa mich täusche, vielleicht auch du nur, in Wahrheit, eine pfaudumme Larve bist über blöde gedrechseltem Leibe

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