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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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sein, und ich bin!«
    »Und trotzdem keine Kinder?«
    Die Zunge zeigte sie ihm. »Das Meer hat hunderttausend Wasser, die Erde hunderttausend Steine, die Luft hunderttausend Wolken, das Feuer hunderttausend Flammen. Sollen die alle leben? Genug, daß die Luft lebt, das Feuer, das Wasser, die Erde, – Ich! Die Mutter von allem! O, ich könnte Euch Geschichten erzählen! Geschichten!!«
    Ekel, Ekel, Ekel im Hirn! Mit wilder Hand wehrte er ab.
    »Bürger!« fletschte sie die Zähne. »Man sieht es ihm an: er hat von jeher feist gefressen, satt gesoffen, in guten Betten geschlafen. Wenn er sich in den Finger schneidet, der Herr Arzt muß kommen. Keinen Fettflecken ins Kleid. Kein Bauchweh in der Nacht. Deine eigene Verdauung weißt du von der Welt, – und sonst nichts!«
    Hatte ihn der Skorpion, den er sicher in einem Schächtelchen in der Tasche trug, gebissen? »Du kannst schimpfen!« stotterte er kalkweiß. »Also weiter! Nur weiter!«
    »Dieses beschränkte Gesicht!« Daß es prasselte, warf sie die Erbsen in den Boden hinab. »Diese steife Gestalt! Bewegung , mein Freund! Not! Marter! Folter! Biege dich!«
    »Weiter!«
    »Von deiner Nase nicht zu reden!«
    »Was ist mit meiner Nase?«
    Zur Grimasse spreizte sie den Schädel auf dem dünnen Halse. »Trägt sie hoch, als ob sie berufen wäre, die Welt zu beschnuppern. Beschnuppert sie hochmütig mit ihrem Gestank. Zwerg! Dummer! Steck sie in den Dreck der Welt; du bist für ihn da, nicht umgekehrt!«
    Ohne sich noch zu besinnen, mit einem Ruck, streckte er ihr die Hand hin. »Kannst du lesen darin?«
    Verächtlich warf sie die Hand ihm zurück. »Als ob ich das nötig hätte, offenes Buch du! Verzogener! Impotenter! Nichtstuer! Egoiste!« Aus vollem Hals: »Höfling!«
    »O?«
    »Ja!« Noch verdammender schrie sie. »Glashaushyazinthe! Glaubt, weißgottwas für die Welt zu tun; und tut nur, was ihn kitzelt!« Aber, gleich darauf, lächelnd, ja geradezu kameradschaftlich: »Ich habe einen Ähnlichen gekannt. Geromino, den Kämmerling des hochseligen Papstes Alexander des Sechsten. Friede seinem Skelette!« Andächtig schlug sie das Kreuz. »Zeus belecke es! Mittelgroß war er. Mager. Stimme wie die deinige. Als er noch keine Gedanken hatte, befriedigte er in jeder Nacht alle Dirnen des Quirinals. Alle. Und es waren viele! Aber als ich ihn kennen lernte, spintisierte er bereits. Seit elf Jahren lebte er mit der Frau des Herzogs von Livia wie ein Bruder. Nur aus Feigheit vor der Ohrfeige, – die er niemals bekommen hätte! Auf einer Jagd kam er hierher. Ich saß hinter der Hütte drüben, in den Artischocken, und hatte den Gürtel aus Goldgitter an, den mir der Kaiser angelegt hatte. Sarazenengewand drüber. Schön war ich! Und gehabt hätt' ich ihn gern! Aber die Stirn über den Augen – die von Brunst troffen – hatte schon die verfluchten Gedanken! Wort war er. Nichts mehr als Wort! Er male, lockte er. Teuflisch! Ich sei die Schönheit der Schönheiten, Helena! Wenn er mich einmal nur nackt sehen könnte . . .«
    Diese also, diese fletscht bereit schon die Zähne?! Weiß, wie die Zähne, die sie fletschte, gefror er.
    » . . . Meister der Meister, Gott, allmächtig würde er,« – die Erbsen flogen – »wenn er mich nackt sehen könnte, einmal! Ich aber hatte den Gürtel an und war heiß unter dem Gürtel. Als er nun endlich so weit war, daß nur mehr das Gitter ihn trennte, – wie ein neugeborenes Kindlein im Nachthemd begann er zu zittern! Wie ein Besoffener zu lallen! Brach den Gürtel entzwei, und – schaute nur an! Ins Gesicht hinein . . .«
    »Apage! Hexe! Verfluchte!«
    » . . . gespuckt hab ich ihm! Mitten hinein! Wie jetzt Dir!«
    Mit sausendem Ärmel den Speichel vom Gesichte wischte er; wie alles Gift der Welt, alle Schande der Welt, alles Nein, Todesurteil, Abschaumige der Welt vom Gesichte. Ja, was schrie das Blut jetzt? Begehrte, zerbrochen und jammernd in seinen Trümmern, das Hirn jetzt? Verlangte, nach Atem ringend im Sumpf der Vernichtetheit, die gezüchtigte Seele? Der bespieene Leib?
    »Flieh nicht!« Flink, mit der jüngsten Gebärde erwischte sie ihn am fliehenden Zipfel. Rang mit ihm. Fing ihn zurück. Bleich taumelte er, schlotternd in vollkommenem Nichts, nicht mehr Schatten der noch gestrigen Gewißheit. »In Corsica«, zischte das Weib, die Erbsen schon wieder auf dem Schoße, »in Corsica drüben sehe ich eine Rute aufwachsen zum Kaiser der Ruten. Und in dir« – die Erbsen flogen – »auch einen Kaiser aufwachsen.

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